Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Helga Michalsky Eine grössere Einbeziehung der Anhänger und Wähler, sei es auch um den Preis der Unabhängigkeit des Landtages, wäre immerhin diskutierenswert. Führt das dazu, dass der Wähler wichtiger geworden ist, dass seine Auffas­ sungen von der Parteiorganisation wenigstens insoweit beachtet werden, dass man nicht auf seine Stimme verzichten will? Umgekehrt ist natürlich auch die Frage zu stellen, ob und wie die Parteien ihrerseits auf diesem Wege ihre Aufgabe erfüllen, einen gemeinwohlorientierten Wählerwillen wenigstens in ihrem politischen Lager mitzuformen, da andernfalls der Vorwurf der «Gefalligkeitspolitik» nicht einfach vom Tisch gewischt wer­ den kann. Schwieriger noch ist die Frage, ob mit einem wachsenden Einfluss der Parteien auf die Landtagsarbeit ein Einflussverlust des einzelnen Mandats­ trägers verbunden sein muss. Das hängt u. a. davon ab, ob die Partei die in­ dividuelle Entscheidungsfindung ersetzt oder ob sie an die Stelle eines infor­ mellen Meinungsführers tritt. Eine gewichtige Veränderung im Entscheidungsprozess, die den Partei- einfluss zur Geltung bringt, bedeutet die Anwendung der Fraktionsdiszi­ plin. Sie verändert auch die Basis der Kooperation zwischen den Parteien. Es kommt zu einer wachsenden Fraktionierung des Abstimmungsverhal­ tens, d. h. zu Stimmblöcken, die vor allem der Minderheit jede Aussicht nehmen, sich mit einem Vorschlag dadurch durchzusetzen, dass einzelne Abgeordnete der anderen Partei zustimmen. Die Fraktionsdisziplin wird von der gegenwärtigen Mehrheitspartei als Instrument bejaht, und sie kann sich mit dieser Auffassung auf internationa­ len Brauch berufen. Die Minderheitspartei, die in dieser Frage gespalten zu sein scheint, gegenwärtig aber einer Stärkung der Gewissensfreiheit des Ab­ geordneten das Wort redet, führt für ihre Position gern zwei Argumente ins Feld: die liechtensteinischen Verhältnisse, denen man mit einem Fraktions- «zwang» nicht gerecht werde, und die Grundsätze der FBP, die den Frak­ tionszwang nicht zuliessen. Blickt man über die Grenzen in andere Parteisysteme, so kann man fest­ stellen, dass die FBP sich damit in die Tradition liberaler Parteien stellt, die sich auf diesem Wege von den demokratischen Massenparteien gezielt abzusetzen versuchen, aber in der Praxis aus Gründen der Koalitionsbin­ dung immer wieder Abstriche an diesem Grundsatz gemacht haben. Erfahrungen in der Bundesrepublik zeigen, dass Volksparteien wie die CDU in der Regierungsverantwortung abweichendes Stimmverhalten ein­ zelner Gruppen in der Vergangenheit dann hingenommen haben, wenn es 266
	        

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