Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Helga Michalsky werden können. Das heisst, im politischen System spiegeln sich die Aus­ wirkungen eines Zweiparteiensystems, in dem die beiden Konkurrenten fast gleich stark und ideologisch kaum unterschieden sind und darüber hinaus seit über fünfzig Jahren in einer Koalition das Land regieren. Da nur diese beiden Parteien im Landtag vertreten sind, gibt es stets eine Mehrheits­ und eine Minderheitsfraktion und -partei. Dies ist die politische Ausgangslage des «Koopposition» genannten Ver­ hältnisses zwischen den beiden Parteien in der Regierung und im Landtag. Damit ist auf den Begriff gebracht, dass beide Parteien zwar gemeinsam die Regierung bilden, dass sie sich jedoch durch die im Regierungskollegium gefundenen Kompromisse nicht in ihrer Stimmabgabe im Landtag gebun­ den fühlen, wie dies zwischen Koalitionsregierung und Koalitionsfraktio­ nen in parlamentarischen Demokratien die Regel ist. Ein solches Verhältnis zwischen Regierung und Landtag wird in Liech­ tenstein von niemandem gewollt, weil es dazu führen würde, dass es kei­ nerlei Opposition im Stimmverhalten und womöglich in der Meinungsäus­ serung gäbe. Es wäre ein Zustand, schlimmer als die «Grosse Koalition» in der Bundesrepublik in den 60er Jahren, die mit ihrer Mehrheit von ungefähr 90 % der Abgeordnetenstimmen so übermächtig war, dass eine ausserpar- lamentarische Oppostion entstand. Andererseits wird die Kooperation in der Regierung einer reinen Mehr­ heitsregierung von beiden Seiten vorgezogen, obwohl diese rechnerisch in Liechtenstein möglich und allenfalls durch das Fernbleiben der Minderheit bedroht wäre, ein Umstand, der in den politischen Auseinandersetzungen der Vergangenheit sehr bewusst war. In den Oppositionsreihen wurde immer wieder einmal darauf hingewiesen, dass eine Partei nur dann allein regieren könne, wenn sie eine Zweidrittelmehrheit habe. Die Zielvorstellungen, unter denen die Koalition arbeitet, sind also in gewisser Weise widersprüchlich; einerseits befürworten beide Seiten den Grundsatz der Gemeinsamkeit, weil er den liechtensteinischen Verhältnis­ sen angemessen sei, andererseits verweisen beide Seiten auch auf die «Hauptverantwortung der Mehrheitspartei». Für die Mehrheitspartei liegt darin die Rechtfertigung, Beschlüsse gegebenenfalls allein mit ihrer Mehr­ heit zu fassen. Die Minderheit leitet daraus ihr Recht her, an die Mehrheits­ partei Forderungen zu stellen, wie dies in anderen politischen Konstellatio­ nen die Opposition tut. In der Praxis kann die Koopposition sehr verschiedene Gestalt anneh­ men; das hängt von den Persönlichkeiten in der Regierung und im Landtag 264
	        

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