Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Handlungsbedingungen der Parteien Die Parlamentsfraktionen und die Regierung sind der wichtigste perma­ nente Einflusskanal derjenigen Parteien, die im Landtag vertreten und an der Regierung beteiligt sind. Daneben können sie jeweils, falls sie mit ihrer Auffassung im Parlament unterliegen, die Möglichkeit und die Chancen für eine ausserparlamentarische direkte Initiative prüfen. Dabei sind die mögli­ chen Auswirkungen auf die nächste Landtagswahl natürlich ein zentraler Faktor des politischen Kalküls. Das Referendum ist aber zugleich ein Instrument, mit dem die Bürger ihr Veto gegen gemeinsame Entscheidungen der Landtagsparteien einlegen können. Es setzt also der Versuchung der Repräsentanten, sich ohne Rück­ sichtnahme auf den Volkswillen oder auf eine Volksstimmung zu einigen, Grenzen. Der Versuch, über ein Referendum Sachentscheidungen zu revidieren oder durch eine Initiative Themen auf die Tagesordnung zu bringen, die die Landtagsparteien z. B. «ausklammern», ist ausserdem das einzige Instru­ ment von grosser Offentlichkeitswirkung, das aufstrebenden politischen Gruppen, losen Personenverbindungen oder nicht im Landtag vertretenen Parteien zur Verfügung steht, um Sachentscheidungen zu beeinflussen oder die Wähleraufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Bedeutsam zusätzlich zu dem bisher Gesagten ist, dass es in Liechten­ stein kein Parteienprivileg oder gar -monopol gibt, d. h. die wohl wichtigste Aufgabe, die Aufstellung von Kandidaten für Wahlen, ist nicht den Parteien vorbehaken. Vielmehr kann jede spontan gebildete «Wählergruppe» mit einer Kandidatenliste antreten. Dieser scheinbar unbegrenzte Zugang zum politischen Wettbewerb stösst in der Praxis indessen auf Grenzen. Die formale Notwendigkeit, dass jede bestehende Partei zu Wahlzwecken eine «Wählergruppe» namhaft machen muss, die die Kandidaten portiert, zeigt ihre praktische Bedeutung nur in jener erwähnten zusätzlichen Konkur­ renzsituation für Parteien. Die Zulassung freier Wählervereinigungen wird aus einer normativen Sicht vielfach positiv bewertet, weil sie sozusagen als der letzte Hort des parteiungebundenen Repräsentativprinzips, als letztes Überbleibsel der vom modernen Parteiwesen praktisch ganz verdrängten Honoratioren­ partei oder -«zirkel» hochgehalten wird. Zu den institutionellen Rahmenbedingungen der Parteitätigkeit gehört auch das Wahlrecht, bestimmt es doch mit darüber, wie viele Parteien und welche Personen im Parlament vertreten sind. Die politisch schwere Ent­ scheidung für das Verhältniswahlrecht im Jahre 1939 ist heute in Liechten­ 261
	        

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