Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Helga Mkhalsky gen, die von der liechtensteinischen Opposition kamen, konnten leichter, schneller und erfolgreicher propagiert werden, weil die Umstände für Reformen günstig waren. In dieser modernisierungstheoretischen Perspektive gibt auch der Um­ stand Sinn, dass der Reformwille zunächst auf die Landesverfassung zielte, dass aber die Kräfte, die die oppositionelle Partei trugen, ein Konglomerat verschiedenster Interessenlagen bildeten. Es war ein Wille nach Verände­ rung, der bei den meisten wirtschaftlich motiviert war. Die wirtschaftliche Modernisierung gehörte auch konkret in das Reformprogramm. Die Ver­ fassungsreform sollte sozusagen die Grundlage für eine umfassende Lan­ desentwicklung sein. Manche der abenteuerlich anmutenden Projekte von Beck belegen, dass er seine Modernisierungsvorstellungen an unternehme­ rischen Vorbildern des 19. Jahrhunderts orientierte; hier liegt der Ursprung des wirtschaftsliberalen Gedankengutes, das in der Volkspartei vorhanden war. Hinzu kam eine nationale und protektionistische Komponente, die mehr an konservative Industrialisierungspolitik erinnert. Kleinheit wirkt sich ferner unmittelbar auf die Ausprägung des Parteien­ systems aus. Da der Modernisierungsprozess in kleinen Staaten zeitlich ver­ zögert ist, fehlen hier die Entwicklungsschritte, die in anderen Staaten die Parteienbildung nach sozial-strukturellen Konfliktlinien ausgelöst haben. Dabei bildet das Parteiensystem eines Kleinstaates wie Liechtenstein nur einen extremen Fall auf einer breiten Skala abweichender Fälle. Denn in Wirklichkeit haben nur in wenigen Staaten alle Modernisierungskonflikte zur Bildung einer Partei geführt. Verengt man den Blick auf die mitteleuro­ päischen Modernisierungsprozesse, so gab es zur Zeit der Entstehung der liechtensteinischen Parteien drei grosse Parteiströmungen, die Liechtenstein nicht direkt berührt hatten: Liberalismus, Konservatismus (mit oder ohne konfessionelle Ausrichtung) und Sozialismus. Die erste Partei entsteht in Liechtenstein im Zusammenhang mit dem Modernisierungsprozess, der zugleich einen Unabhängigkeitsprozess ein- schliesst. Die Modernisierungspartei ist in ihrer Zielsetzung potentiell um­ fassend, d. h. sie schliesst Aspekte verschiedener vorhandener Parteipro­ grammatiken, z. B. liberale Rechtsgrundsätze und sozialpolitische Ziele ein. Je nach Konfliktniveau kann es in dieser Konstellation zur Konfrontation von Modernisierungs- und Traditionskräften und damit zur Parteibildung kommen. Da in Liechtenstein die Modernisierungsbewegung mit einem kräftigen Schuss Nationalismus bzw. Elementen einer Unabhängigkeitsbe­ wegung versetzt war, kam eine klare politische Alternative nicht in Frage. 254
	        

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