Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Helga Michalsky kam in Deutschland das Ende des bisherigen Regierungssystems. An seine Stelle sollte eine demokratische Regierung treten. In Liechtenstein zog man durchaus die Parallele zwischen diesen Ereignissen und den politischen Verhältnissen im eigenen Land. Aus Anlass der bevorstehenden Landtags­ eröffnung am 3. Oktober 1918 wurde in den Oberrheinischen Nachrichten vorab das Thema angeschlagen, das das Land schon sehr bald in eine Krise stürzen sollte, die Forderung nach einer parlamentarischen Regierung: «Gegenwärtig zieht ein völkischer Zug durch alle Länder, besonders auch durch den deutschen Hain. Die Regierung soll mehr demokrati­ scher - im guten Sinne - werden. Alle Volksschichten sollen Anteil haben an der obersten Leitung des Staates. Das Deutsche Reich ist auf dem besten Wege zur parlamentarischen Regierung. (...) Dieses Regie­ rungssystem nimmt seinen Siegeslauf durch die Welt, trotz allen Anfein­ dungen. Wir Liechtensteiner müssen uns doch fragen, ob wir nach und nach nicht ebenfalls in einer unseren Verhältnissen entsprechenden Weise eine parlamentarische Regierung anstreben wollen. Es könnte dies dadurch geschehen, dass die beiden Regierungsräte jeweils nur im Einvernehmen mit dem Landtage auf eine Dauer von 2 bis 3 Jahren bestellt würden. Selbstredend müssten diese Herren einen entscheiden­ den Einfluss auf alle Regierungsgeschäfte, die nur kollegialiter zu behan­ deln wären, erhalten. (.. .)»7' In dem Artikel, in dem diese Schlussfolgerung gezogen wurde, stehen auch einige allgemeine Überlegungen zur künftigen Landtagsarbeit, die nun von zwei Parteiströmungen bestimmt sein werde. Zum Wohle des Landes wur­ den die Parteien zu «einträchtigem Zusammenarbeiten» und zum «Burg­ frieden» ermahnt, denn nur so könnten die zahlreichen Aufgaben, vor denen auch Liechtenstein mit dem Ende des Krieges stehen werde, mit Erfolg angepackt werden. Als Aspekte einer bevorstehenden Neuorientie­ rung wurden die Überprüfung des Zollvertrages, die gewerbliche und indu­ strielle Entwicklung des Landes und eben die Reform des Regierungssy­ stems, d. h. eine Verfassungsreform, dargestellt. Lediglich auf den Friedens­ appell ging das Volksblatt zustimmend ein, alles übrige erwähnte es mit kei­ nem Wort.77 76 O.N. 5.10.1918. 77 L.V. 11.10.1918. 250
	        

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