Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Arno Waschkuhn das Urbane, den Inbegriff höchster Kultur ausmacht, und dass er im Wett­ streit, im Agonalen, das entscheidende Movens oder Bewegungsprinzip erblickte.12 Es kann uns also «nicht gehen um das Lob des Kleinstaates schlechthin, denn nicht alles, was klein ist, ist auch gut. Die dumpfe Enge Krähwinkels (oder von Archenfels, A.W.), seine geistlose Provinzialität, repressive Atmosphäre und versteinerte Sozialwelt kann kein Modell politischer Kul­ tur sein.»13 So werden in der Literatur auch des öfteren die sozialpathologi­ schen Tendenzen des Kleinstaates herausgestellt, die zur Mut- und Gedan­ kenlosigkeit fuhren, insofern Kleinheit den Horizont einengen und den Blick für grössere Zusammenhänge trüben kann.14 Enge Verhältnisse, zu kleine Wirkungskreise erzeugen leicht lokalen Eigensinn und Pedanterie. Georg Gottfried Gervinus, ein Hauptvertreter des kleinstaatlichen Libera­ lismus im 19. Jahrhundert, hat die Kleinstaaten zwar als Horte der Freiheit gesehen, gewissermassen als Urzellen menschlicher Gemeinschaft und gegenseitigen Vertrauens, insgesamt ausgestattet mit wärmeren Lebenstrie­ ben, gleichwohl hat er auch die Nachteile wahrgenommen, die beispiels­ weise einen Freiherrn von Stein vom Kleinstaadeben abschreckten: «die Verengung des Blicks, die Lähmung des Charakters, das Kleinliche und Spiessbürgerliche in ihnen, das Fehlen grosser allgemeiner Interessen und als Folge davon das Mangeln des Gemeingeistes, der gründlichen politi­ schen Bildung, der grossen öffentlichen Meinung, des umfassenden prakti­ schen Verstandes.»15 Auch Liechtenstein ist, wie Robert Allgäuer es einmal ausgedrückt hat, eine «Addition von Grenzen».16 Es lassen sich auch hier einige kulturkri­ tische Stimmen vernehmen, die interessanterweise in dem Band «Liechten­ stein - Ansichten und Einsichten» zum Ausdruck kommen, der vom All­ gemeinen Treuuntemehmen in Vaduz aus Anlass des 60. Firmenjubiläums herausgegeben wurde. So schlecht kann es also mit der politischen Kultur in Liechtenstein nicht bestellt sein, da Selbstkritik - wie der Voksmund sagt - der erste Weg zur Besserung ist. Der Psychologe und Psychotherapeut Dietmar Näscher zitiert dort den Philosophen Günther Anders mit dem 12 Siehe Kaegi, Kleinstaat II, 65, Cappis, 109, 127. 13 Gebhardt, 571. 14 Hemmerle, 39. 15 Cappis, 72 u. 76. 16 R. Allgäuer, 119. 20
	        

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