Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Gerard Badiner Kurswechsel sind in der Praxis des Staatsgerichtshofes zu verzeichnen,67 was der Rechtssicherheit nicht zuträglich ist. Aber alles in allem - nicht un- beeinflusst von den rechtsstaatlichen Standards der EMRK - hat der Staats­ gerichtshof den liechtensteinischen formellen Rechtsstaat weiterentwickelt, unter voller gerichtlicher Ausschöpfung der Normenkontrolle. Zwei Bei­ spiele: Nach dem bedeutsamen Urteil des Staatsgerichtshofes vom 2.11.198968 ist es klar: Die aufgrund der liechtensteinisch-schweizerischen Vereinba­ rung über die Handhabung der Fremdenpolizei für Drittausländer im Für­ stentum Liechtenstein und über die fremdenpolizeiliche Zusammenarbeit69 und aufgrund des Zollvertrages in Liechtenstein anwendbaren schweizeri­ schen Vorschriften werden in Liechtenstein innerstaatlich grundsätzlich erst wirksam mit der integralen Kundmachung dieser Vorschriften. Das gilt jedenfalls stets dann, wenn die Vorschriften «rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder zur Rechtsetzung verpflichten oder Rechte und Pflichten, insbesondere Straftatbestände, für die Allgemeinheit oder einen grösseren Kreis begründen» - dies im Interesse der Rechtssicherheit und der Wah­ rung des Prinzips nulla poena sine lege. Früher war es anders. Nach Art. 2 und 4 des Einführungs-Gesetzes zum Zollvertrag70 traten einschlägige schweizerische Erlasse mit dem Inkrafttreten in der Schweiz auch in Liech­ tenstein ohne Kundmachung ohne weiteres in Kraft. Später wurde, gedrängt durch den Staatsgerichtshof, Art. 67 der Verfassung ergänzt (LGBl 1985/37) und ein Kundmachungsgesetz (LGBl 1985/41) erlassen. Verfassungs- und Gesetzgeber waren überzeugt, mit der Verfassungs- und Gesetzesänderung 1985 eine genügende Lösung gefunden zu haben. Es wurde für die aufgrund der fremdenpolizeilichen Vereinbarung und des Zollvertrages in Liechtenstein anwendbaren schweizerischen Rechtsvor­ schriften die Kundmachung der Titel dieser Vorschriften, die Angabe der Fundstellen und das Aufliegen der vollen Vorschnftstexte in der Regie­ 67 Im Kontrast zur bisherigen Praxis hat der Staatsgerichtshof im Bereiche der Eingriffsver­ waltung (Disziplinarmassnahme am Liechtensteinischen Gymnasium) eine gesetzlich kaum gedeckte VO als nicht verfassungs- oder gesetzwidrig erklärt. Die Verfassungsrege­ lung des Verordnungsrechtes und des Legalitätsprinzips von Art. 92 Abs. 1 der Verfas­ sung lasse «mehr eine funktionale und kooperative Struktur der Staatsorgane, als ein nor- mativ-positivistisches Trennungssystem erkennen» (Urteil StGH 1986/7 vom 5.5.1987 LES 1987, 141). 68 StGH 1988/22 LES 1990,1. 69 Vereinbarung vom 6.11.1963, LGBl 1963/39. 70 LGBl 1924/11. Bestätigt durch Urteil StGH vom 30.1.1947 ELG 1947-54,191 ff. (201- 206). 124
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.