Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Liechtensteinische Rechtsordnung und EMRK betrachtet. Diese Gerichtsinstanzen sind ja an die Verfassung gebunden und verwirklichen in der Rechtsanwendung die Verfassung, also auch die Grundrechte. In Liechtenstein dagegen können alle letztinstanzlichen Ent­ scheidungen der obersten Gerichte und der Verwaltungsbehörden von jedermann, der behauptet, es seien seine verfassungsmässig gewährleisteten Rechte verletzt worden, an den Staatsgerichtshof weitergezogen werden.49 • Es musste für den hochangesehenen österreichischen Juristen und damali­ gen Präsidenten des liechtensteinischen Obersten Gerichtshofes, Franz Gschnitzer, ungewohnt gewesen sein, als 1961 ein unter seiner Präsident­ schaft ergangenes Urteil vom Staatsgerichtshof wegen Verletzung des Gleichheitssatzes aufgehoben wurde.50 Dieses liechtensteinische Modell der umfassenden Individualbe­ schwerde gegen alle höchstinstanzlichen Entscheide hat später der Sache nach Eingang gefunden im deutschen Grundgesetz von 1949 (Art. 93) und in der neuen spanischen Verfassung von 1978 (Art. 161). Wenn der Staatsgerichtshof eine Verletzung feststellt, urteilt er kassato­ risch, d. h. er hebt die angefochtene Entscheidung oder Verfugung im Ein­ zelfall - und allenfalls die der angefochtenen Entscheidung oder Verfügung zugrundeliegende verfassungswidrige Gesetzes- oder Verordnungsnorm (konkrete Normenkontrolle) mit Wirkung gegen alle - auf.51 Sind also Grundrechte im Spiele, können sogar letztinstanzliche Entscheidungen an den Staatsgerichtshof weitergezogen werden. Die Kompetenz des Staatsge­ richtshofes reicht von der Aufhebung des Einzelaktes bis zur gleichzeitigen Aufhebung der dahinterliegenden, vom demokratisch-monarchischen Gesetzgeber oder vom Verordnungsgeber erlassenen Norm. Diese Ein­ richtung reflektiert ein letztes Misstrauen gegenüber Verwaltungsbehör­ den, Gerichten wie dem Gesetz- und Verordnungsgeber. Alle Rechts­ anwendung ist somit, was die Grundrechte angeht, nochmals gerichtlich abgesichert. 49 Anders auch als in der Schweiz, wo etwa gegen ein Urteil der zivilrechtlichen Kammer des Bundesgerichtes eine staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben ist. i 50 Urteil StGH 1961/1 vom 12.6.1961 (unveröffentlicht); erster Fall der Aufhebung eines OGH-Urteils. 51 Art. 104 Abs. 1 Verf in Verbindung mit Art. 38,42 und 43 (teils geänderte Fassung LGBl 1979/34) StGHG. Die Aufhebung einer Norm im konkreten Anwendungsfall wirfst gjeich wie die bei der abstrakten Nonnenkontrolle gegen jedermann und wird im Landes­ gesetzblatt kundgemacht. 113
	        

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