Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1981) (8)

Landwirtschaft von heute - der Preis des Fortschrittes? von Mario F. Broggi, Geschäftsführer der Liecht. Gesellschaft für Umweltschutz 
Liechtensteiner Umweltbericht Sonderbeilage: Landwirtschaft und Umweltschutz Seite 7 Die Landwirtschaft von heute ist im Ge- rede. Sie steht im Sog der gesamtgesell- schaftlichen Entwicklung, macht aus Gründen der Einkommensparität natür- licherweise das mit, was ausserhalb der Urproduktion vorgespielt wird. Dies ist nicht unbedenklich, wenn man weiss, dass die Landwirtschaft mit dem kostba- ren und unvermehrbaren Gut «Boden» umgeht, und in ihrer intensiven Aus- übung aber ungleich flächendeckender ist als etwa die Industrie oder sonstige Bau- ten und Anlagen. Landwirtschaft wird in ihren Gunstlagen zum vielleicht grössten Umweltproblem und dies in zweifacher Weise. Die trotz des schon Jahrtausende währenden menschlichen Wirkens noch naturnahen Oekosysteme werden kurz- fristig in «Agro-Ökosysteme» umgewan- delt, d.h. die auf Rationalisierung be- dachten technisierten Bodenbewirtschaf- 
tungssysteme dringen mit ihrer extremen Artenverarmung und Nivellierung sowie mittels Hilfsstoffen tief in den Naturhaus- halt ein. Zweitens bewirken diese Kon- zentrationen indirekt, dass die agrari- schen Randlagen der Berggebiete noch mehr unter Druck geraten, was zur Land- flucht aus diesen Gebieten führen muss, diese grossräumigen Landschaften ge- fährdet und die Agglomerationen an- wachsen lässt. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, sind Strategien zu ent- wickeln, die Wege und Mittel finden, die Landwirtschaft wieder als mittleren Fa- milienbetrieb zum Gestalter und Sach- walter des ländlichen Raumes werden zu lassen. Für diesen schonenderen, sanfte- ren Weg hat der Konsument auch seinen Obulus zu entrichten, indem er den ge- rechten Preis für mehr Naturnähe be- zahlt. 
Die Entwicklung unserer Landwirtschaft Es fing so harmlos an. Vor gut 6000 Jahren kam der Mensch darauf, dass es bequemer und sicherer war, statt dem Tier immer aufs neue nachzujagen, es zu fangen, zu zähmen und zum Haustier zu machen. Erst seit weni- gen Jahrhunderten werden die Äcker jeweils auf den gleichen Flächen regelmässig mit Feldfrüchten bebaut. Es herrschte zudem lan- ge das, was man die <Dreifelderwirtschaft> bezeichnete: ein Jahr Wintergetreide, ein Jahr Sommerfrucht, ein Jahr Brache. Der Bo- den konnte von seinen zwei Arbeitsjahren ausruhen. Eiweissreiche «Unkrautgesellschaf- ten» auf diesen Brachflächen bekamen dem Vieh, das über diese Brachen getrieben wur- de, gut. Dem Boden tat seinerseits der Dung der Tiere gut. Dann kam der Dünger aus dem Sack, statt aus der Kuh. Es war die Geburt des Kunstdüngers, der Beginn der landwirt- schaftlichen Revolution. Als erstes starb die Dreifelderwirtschaft. Der Boden brauchte das Ferienjahr nicht mehr. Dann ging der Wechsel in der Fruchtart weit- gehend verloren, auch dafür sorgte der Dün- ger, er konnte nach Belieben das liefern, was dem Boden durch einseitige Nutzung entzo- gen wurde. Dem wendenden Pflug folgte also künstliche Mineralstoffzufuhr, die ihrerseits das Bodenleben dezimierte, sie erzwang als nächsten Schritt den chemischen Pflanzen- schutz. Damit war das konventionelle Land- bausystem perfekt. Seine Stütze findet es in der Gesellschaftsordnung. Bekanntlich mau- serte sich der Agrarstaat zum Industriestaat. Immer grössere Anteile der landwirtschaft- lichen Produktion verliessen den Hof und gin- gen in die wachsenden Städte. Der Weg vom Ochsen- oder Pferdegespann zum Gross- schlepper, von der Sense zum Mähdrescher war sehr kurz und ist nicht einmal überall in Europa schon vollzogen. Die Landwirtschaft hat innerhalb einer Generation ihre Produkti- vität versechsfacht. War die Landwirtschaft lange als rückständig bezeichnet, so ist sie heute fortschrittlich.. Sie produziert das, was wirtschaftlich ist, sie hat sich spezialisiert. Sie wirtschaftet so, wie man es von ihr gefordert hat: nach modernen Grundsätzen. Artenarmut — Verlust der Vielfalt Die Landwirtschaft versucht heute Ökosyste- me zu beherrschen, indem sie mit Hilfsmitteln einige wenige Pflanzenarten begünstigt und damit höchste Erträge erbringt. Die Natur kontrolliert ihrerseits Ökosysteme, indem sie sich durch pflanzliche und tierische Artenviel- falt stabilisiert. Beide Ziele sind wohl unver- einbar. Daraus entsteht ein Spannungsfeld zwischen den ökologischen Erfordernissen nach Vielfalt und den ökonomischen Wün- schen nach viel Ertrag. Fest steht, dass aus ökonomischer Sicht eine Alternative zum mo-
	        

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