Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1981) (7)

Liechtensteiner Umweltbericht Vogelschutz Seite 9 untersucht. Er gliedert die Krähenvölker in brütende und nicht-brütende Schwarmvögel, wobei letztere rund mehr als ein Drittel aus- machen. Er stellt fest, dass dieses Verhältnis von den Gebietsverhältnissen abhängt. Je vielgestaltiger die Landschaft, je weniger grosse Konzentration von Rabenkrähen. Selbstbegrenzung der Krähendichten Wittenberg konnte in seinen Untersuchun- gen, von der Landesjägerschaft Niedersach- sen finanziell unterstützt, auch längere Beob- achtungsdaten mit jährlichem Massenfang von Krähen in Fallen registrieren, die den Bestand auf einen Viertel zusammen- schmelzen liessen. Doch nur innerhalb von vier Jahren erholte sich die Population nach Aufhebung der Verfolgung auf ihr altes Nive- au, aber nicht darüber hinaus. Ähnliches kön- nen weitere Forscher andernorts beob- achten. Entscheidend scheint hier das Territorialver- halten zu sein. Es wird ein Revier von ca. 13-40 ha gegenüber Artgenossen verteidigt. Dieses Gebiet enthält den Nistplatz und den grössten Teil der Nahrung für das Brutpaar und seine Jungen. Bei geringerer Dichte wer- den nur die besten Standorte besetzt, wobei diese Reviere alle am Waldrand liegen. Bei zunehmender Dichte finden hier nicht mehr _alle Paare Platz und die Überzähligen müs- sen ihr Nest nun im Innern des Waldes in einem zweiten Glied bauen. Sie haben dem- entsprechend ein geteiltes Revier und müs- sen zur Nahrungssuche sich weiter entfer- nen. Sie haben dadurch einen geringeren Bruterfolg. Es ergibt sich somit eine Auftei- lung in «private Grundstücke», die die Dichte der Bruten begrenzt und zugleich auch auf die Nichtbrüter einwirkt, indem diese nur noch die Restflächen beanspruchen können. Innerartliche Auswirkungen bei hohen Brutdichten Bei hohen Brutdichten wurde ein weiteres Phänomen beobachtet: Je höher die Dichten, desto kleiner der Bruterfolg. Hauptursache 
war hierbei das Rauben von Eiern und klei- nen Jungen durch nichtbrütende Krähen, wo- durch fast die Hälfte der Arten ganz ohne Nachwuchs bleibt. Markierungsergebnisse zeigen, dass die Nichtbrüter hauptsächlich im ersten bis vierten Lebensjahr standen. Die jungen Vögel wurden offenbar bei hoher Dichte daran gehindert, schon im möglichen Brutalter ab zwei Jahren zu brüten. Einfluss auf andere Tierarten Verschiedene Autoren konnten auch bei ho- hen Brutdichten keine negativen Auswirkun- gen auf andere Tierarten feststellen. Die ex- perimentelle Untersuchung des Beutesuch- verhaltens der Rabenkrähe ergab folgendes: Die Krähe ist zwar Allesfresser, sie erwirbt sich aber ein Suchbild für eine Beuteart. Sie prägen sich deren Merkmale ein, wenn sie wenige Male kurz hintereinander zufällig auf diese Beute stossen. Sie suchen dann so lange nach dieser Beuteart, wie sie Erfolg haben oder sich eben ein anderes Suchbild aufdrängt. Kleintiere verschiedenster Art, Jungtiere und Vogeleier werden demnach im- mer dann zur Beute, solange sie Erfolg damit haben, wie sie also häufig genug auftreten und leicht zu finden sind. Solches Verhalten ist übrigens ein Verhaltensmerkmal der mei- sten Räuber. Den Krähen wird demnach nur ein recht begrenzter Teil der jeweiligen Beuteart zum Opfer fallen. Somit ist die Re- gulation von Arten weniger zahlenmässig als in einer Selektion zu sehen, und diese Rolle ist zweifellos biologisch von grösster Bedeu- tung. Eine weitere Funktion der Rabenkrähe ist darin zu finden, dass sie der Waldohreule, dem Turm- und dem Baumfalken die Nester liefert, 
weil diese selbst keine bauen. Wirtschaftliche und jagdliche Bedeutung Zweijährige Untersuchungen der Einwirkun- gen auf die Landwirtschaft konnte in der Schweiz selbst im Körnermaisanbau nur un- wesentliche Schäden durch Rabenkrähen auch bei hohen Populationsdichten feststel- len lassen, wobei es zugegebenermassen in gewissen Zeiträumen zur Spezialisierung kommen kann, die sich schädlich auswirken 
kann. Diese Schäden wären nach Ansicht der Autoren allerdings durch verschiedene Mass- nahmen noch weiter zu verhindern. Da auf dem Speisezettel aber auch Mäuse, ver- schiedene Schadinsekten wie Erdraupen, Drahtwürmer und Engerlinge stehen, steht allfälligen augenscheinlichen Saatschäden zum weitaus grössten Teil des Jahres ein Nutzen gegenüber, der dann weniger offen- sichtlich ist. Die häufig behauptete «Nieder- wildschädlickeit» der Rabenkrähe wurde nir- gends wissenschaftlich untersucht bzw. be- legt. Vielmehr ist es üblich, von Einzelbeob- achtungen auf den «Schaden» zu schliessen, wobei klar sein muss, dass eine solche Me- thode untauglich ist. Eine ständige Auslese durch verschiedene Raubfeinde ist für jegli- ches Wild notwendig. Der jagende Mensch ist dazu weitgehend nicht in der Lage. So wird der Teil der Jägerschaft, der seine vornehmste Aufgabe in der Erhaltung einer möglichst intakten Biozönose sieht, dem se- lektierenden und ausgleichenden Eingriff der Rabenvögel nicht fürchten, sondern begrüs- sen. Auch der Jäger, für den die Beute im Vordergrund steht, sollte sich dem anschlies- sen können, wenn er ökologische Gesichts- punkte zur Grundlage seines Handelns macht. Folgerungen für den Artenschutz Aus den dargelegten Gründen muss eine ei- gentliche Bekämpfung der Krähen im allge- meinen als biologisch wenig sinnvoll und wahrscheinlich nachteilig bezeichnet werden. Auch die moderne Landwirtschaft kann von solchen Massnahmen keinen Vorteil erwar- ten. Das gleiche gilt für die Jagd, wobei hier eine von einem Teil der Jägerschaft ange- wendete Methode mit dem «Ausschiessen» von Krähen, aber auch Elsternnester, aus Gründen des Tierschutzes abzulehnen ist. Der «vogelfreie» Status dieser Rabenvögel und ihre allfällige jagdliche Klassifizierung als «Raubzeug» erscheinen als Relikte aus ver- gangener Zeit. Es ist wohl nicht mehr richtig, wenn ein Jagdausübender für sein Revier nach eigenem Ermessen über Sein oder Nichtsein solcher wichtiger Glieder der Le- bensgemeinschaften in der Natur entschei- den darf. Es ist deshalb vorerst das Aus- schiessen von Nestern zu verpönen. Ebenso scheint eine Verfolgung und Tötung während der Brutzeit nicht gerechtfertigt. Damit revi- dieren wir auch eine antiquierte Vorstellung von der ökologischen Rolle dieser Vögel. Für die jagdliche Praxis wichtig: — Rabenkrähenbestände 
wachsen nicht beliebig an, sondern begren- zen sich selbst — 
künstliche Bestandesverminderung hat eine Zuwanderung zur Folge — 
künstliche Bestandesverminderung erhöht zusätzlich die Geburtenzahl durch früheres Ansiedeln und Brü- ten der Jungvögel — 
künstliche Bestandesverminderung ergibt einen höheren Bruterfolg, da der Nestraub durch nichtbrütende Krähen zurückgeht.  
	        

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