Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1991) (29)

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Liecht. Umweltbericht, Juni 1991 ten Überschuss an landwirtschaftlichen Pro- dukten steht ein zunehmender Mangel an na- turnahen Flusslandschaften gegenüber. Ein Mangel, der nicht nur für die an das Leben in Fluss und Au angepassten Tiere und Pflanzen eine dramatische Verringerung des Lebens- raumes bedeutet, sondern auch von immer mehr Menschen als ein Verlust an Lebensqua- lität empfunden wird. Steigendes Verantwortungsbewusstsein der Fischer Darüber hinaus hat das steigende Umweltbe- wusstsein unserer Gesellschaft aber auch die Fischerei in Diskussion gebracht. Im Span- nungsfeld zwischen Naturschutz, Tierschutz, Gewässerpflege und Fischhege stehen die Fi- scher - Leute, welche die Fischerei als Frei- zeitbeschäftigung gewählt haben. Wir haben also auf einer Seite die zunehmende Ver- schlechterung der Gewässer bzw. die stete Verringerung des Lebensraums «Wasser» und auf der anderen die wachsende Zahl von Fi- schern. Anders ausgedrückt: Auf der einen Seite die Umwelt, die wir schützen möchten, auf der andern das legitime Recht der Ein- wohner, sich in der freien Natur vom Alltag zu erholen — Widersprüche, die nur dann nicht zu Konflikten führen, wenn wir unser Naturverständnis grundlegend ändern. Aus all diesen Gründen ist. die, Zeit, da der Fischer aus dem Vollen schöpfen konnte, wahrscheinlich für immer dahin. Wer sich in Zukunft Fischer nennen möchte, muss zuerst das Hegen gelernt haben. Fischen kann nicht länger als Mittel zum Vertreiben der Lange- weile dienen. Pflege und Erhaltung des Was- sers und der Flusslandschaften muss im Vor- dergrund stehen. Fische zu fangen muss als Lohn für die Bemühungen empfunden wer- den. In diese Richtung zielt auch das neue Fischereigesetz, das seit August 1990 in Kraft ist. Auch hier liegen die Schwerpunkte ein- deutig auf der naturschützerischen Seite. Er- halt einer natürlichen Artenvielfalt, Erhalt und Verbesserung von Bächen und anderen Biotopen sowie naturnahe Bewirtschaftungs- methoden stehen im Vordergrund. Auch zwei weitere umwälzende Neuerungen sind im neuen Gesetz verankert: Es wurde ein Fische- reibeirat ins Leben gerufen und jeder Fischer hat künftighin eine Fischerprüfung abzulegen. Der Fischereibeirat, bestehend aus dem staat- lichen Fischereiverwalter, der von Amts we- gen den Vorsitz inne hat, und je zwei Vertre- tern der Naturschutzorganisationen und. der Fischerei soll der Regierung in allen Belangen der Fischerei als kompetentes Gremium bera- tend zur Seite stehen. Mit der Fischerprüfung soll erreicht werden, dass in Zukunft jeder, der Fischen möchte, ein Minimum an Fach- wissen vorzuweisen hat und dadurch fähig wird, die Fischerei mehr als Passion und nicht bloss als flüchtige Freizeitbeschäftigung zu be- trachten. Internationale Kooperation gesucht Strukturprobleme in der eben beschriebenen Art sind grenzüberschreitend. Unser Verein ist deshalb in verschiedenen internationalen 
Organisationen aktiv beteiligt. Die wichtig- sten sind die Rheinanliegerkonferenz und die ArgeFA. Das Ziel der aus 14 Fischereiverei- nen bestehenden Rheinanliegerkonferenz ist eine bessere Koordination der Bewirtschaf- tung des Rheins. ArgeFA bedeutet Arbeits- gemeinschaft für die Fischerei der Alpenlän- der. In diesem Gremium treffen sich regel- mässig Fischerei-Vertreter Österreichs, der Schweiz, Bayerns, Baden-Württembergs, 
des Südtirols und Liechtensteins. Nebst einem re- gen Gedankenaustausch organisiert diese Ar- beitsgemeinschaft alle zwei Jahre einen Fi- schereikongress, an welchem Wissenschaftler und Praktiker ihre neuesten Erkenntnisse und Erfahrungen austauschen können. Die Fischerei ist heute, ein vieldiskutiertes Thema. Leider werden viele Diskussionen in Unkenntnis gängiger Praktiken sehr unsach- lich geführt; Vorwürfe extremer Tierschützer mussten sogar schon vor Gerichten ausge- fochten werden. Solange man jedoch das Fan- gen und Erlegen von Tieren zu den legitim- sten Rechten des Menschen zählt und solange Fische als wesentlicher Bestandteil mensch- licher Ernährung gelten, müssen bezüglich Fangmethoden gewisse Kompromisse in Kauf genommen werden. Sicher müssen in Zukunft Fischereivereine ihre Statuten ändern, wenn dort unter Vereinszweck einzig das Fangen von Fischen aufgeführt ist, denn die Fischer müssen wie viele andere der Natur verbunde- ne Menschen ihren Beitrag leisten 
zum Erhalt und zum Schutz unserer Umwelt. Geschieht dies im richtigen Masse, wird die Fischerei auch in der Zukunft ihre Daseinsberechtigung nicht verlieren. 
■ Naturschutzaspekte im Fischereigesetz (wms) Am 16. Mai 1990 hat der Landtag ein neues Fischereigesetz verabschiedet, das als modernes, den ökologischen Erfordernissen entsprechendes Gesetz bezeichnet werden kann. Das Gesetz bezweckt (Art. 1): a) die natürliche Artenvielfalt und den Be- stand einheimischer Fische, Krebse und Fischnährtiere sowie deren Lebensräume zu erhalten oder zu verbessern; b) bedrohte Arten und Rassen von Fischen und Krebsen zu schützen; c) eine nachhaltige Nutzung der Fisch- und der Krebsbestände zu gewährleisten sowie die Fischerei zu fördern. Aus naturschützerischer Sicht besonders be- merkenswert sind die Art. 16 bis Art. 22. Art. 16 hält fest, dass die Fisch- und Krebsbe- stände periodisch gutachterlich untersucht werden müssen und- notfalls geeignete Mass- nahmen zum Schutz gefährdeter Arten getrof- fen werden. Art. 17 reglementiert das Einset- zen fremder Arten, Rassen und Varietäten mit dem Ziel, die einheimischen Arten zu schützen und Faunaveränderungen zu verhin- dern. Art. 18 schreibt vor, dass Fischeinsätze ein ökologisch vertretbares Mass nicht über- schreiten dürfen. Art. 20 dient dem Schutz bestehender Bachläufe, Uferpartien und Wasservegetationen und fordert den Staat da- zu auf, Massnahmen zu treffen, die die Le- bensbedingungen der Wassertiere verbessern. Art. 21 unterstellt alle Eingriffe in und an Gewässern einer Bewilligungspflicht. Art. 22 
Fischbesatz: meistens unnötig Das Laichfischen, das Streifen der Fi- sche, die Fischaufzucht und der spätere Fischbesatz gehören zum ABC jedes Fi- schereivereines. Doch diese Form der künstlichen Stützung des Fischbestan- des, vor allem der Regenbogenforellen, Bachforellen und Äschen, wird in der neueren wissenschaftlichen Forschung kritisch hinterfragt. Es zeigt sieh, dass der grösste Teil der Besatzfische dem «rauhen Klima» ihrer Bestimmungsge- wässer nicht angepasst sind. Die meisten gehen ein oder werden von den robuste- ren Konkurrenten aus der Naturverlai- chung verdrängt. Der künstliche Besatz ist daher nur dort sinnvoll, wo die natür- liche Reproduktion nicht möglich ist oder wo durch bestimmte Ereignisse (Gewässerverschmutzung 
nach Chemie- unfall, Stauseeentleerung) ein Grossteil des Fischbestandes vernichtet wird. In langjährigen Beobachtungen haben Fischereibiologen festgestellt, dass trotz der intensiven Besatzmassnahmen der Fischbestand nicht willkürlich über ein bestimmtes Mass angehoben werden kann. Die Artenzusammensetzung und Bestandesgrösse hängt vielmehr von der Gewässerbeschaffenheit und dem Nah- rungsangebot ab. Besatzmassnahmen stellen daher häufig nur eine vorüberge- hende Störung und Konkurrenz dar, vermögen aber in der Regel das in sie gesetzte Ziel nicht zu erreichen. fordert die Regierung auf, Massnahmen vor- zuschreiben, die geeignet sind a) günstige Lebensbedingungen für die Was- sertiere zu schaffen hinsichtlich — der Mindestabflussmenge bei Wasser- entnahmen, — der Beschaffenheit der Sohle und der Böschungen, — 
der Zahl und Gestaltung der Fischunter- Schlupfe, — der Wassertiefe und Wassertemperatur, — der Fliessgeschwindigkeit, — der Vermeidung unnatürlicher Abfluss- mengen (Schwallbetrieb); b) 
die freie Fischwanderung sicherzustellen; c) 
die natürliche Fortpflanzung zu ermög- lichen; d) 
zu verhindern, dass Fische und Krebse durch bauliche Anlagen oder Maschinen getötet oder verletzt werden. Diese hier besonders herausgehobenen Ge- setzespassagen gehen über die eigentlichen fischereilichen Aspekte hinaus und zielen auf eine ökologisch sinnvolle Gestaltung und Pflege sowie den Schutz der Gewässer und der einheimischen wassergebundenen Tier- und Pflanzenwelt ab. Das neue Fischereige- setz regelt selbstverständlich auch unmittelba- re Fragen der Fischerei wie beispielsweise die Fischereiberechtigung, Pacht, Fang- und Ge- rätevorschriften, Schonzeiten und Fangmin- destmasse usw. Besonders erfreulich ist dabei unter anderem, dass für angehende Angler eine Fischerprüfung vorgeschrieben wird. Die Modalitäten dieser Prüfung werden derzeit im Fischereibeirat diskutiert, welchem auch Ver- treter des Naturschutzes angehören. 
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