Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1989) (25)

Seite 10 Liecht. Umweltbericht, Juni 1989 In einem Vaduzer Strassencafé, abends . . . Wir haben den Verkehrsclub Liechtenstein (VCL) um einen Beitrag über Massnahmen zur Verkehrsberuhigung in Liechtenstein und deren Beitrag zur Lärmverminderung gebeten. Der VCL hat Fachleute mit dieser Aufgabe betraut, welche den Gesprächsstil gewählt haben, um sich der komplexen Frage der Lärmverminderung im Verkehrsbereich anzunähern. «Weisst du, dass bald einmal keine Autos mehr hier durchs Städtle fahren?» «Wieso — werden die Autos verboten? «Quatsch! Sie werden ins Äule verdammt - hier gibt es eine Fussgängerzone.» «Langweilig, jetzt wo wir uns so an den Lärm und Gestank gewöhnt haben!» «Also ich finde es super, wenn hier keine Vehikel mehr durchfahren. Auf der Strasse flanieren, plaudern; überall stehen Bänklein, Laternen und Japaner. Und kein Lärm mehr!» «Zurück zur Natur ... und dafür eskaliert's im Äule.» «Camilla, bitte noch einen Café und ein Pari- sienne Super.» «... und mir ein Cola, bitte!» «Wie siehst du das mit der Fussgängerzone?» «Ich finde diese Idee reizvoll. Wenn der Ver- kehr zukünftig nur noch übers Äule führt, so ist das sicher eine Massnahme der Raumpla- nung und im besonderen der Verkehrspla- nung.» «Was heisst denn Massnahme? Du meinst wohl Willkür?» «Wenn man sich dafür entscheidet den Ver- kehr zweier Strassen auf eine zusammenkom- men zu lassen — in diesem Fall im Äule — so hat das wenig mit Willkür zu tun. Das Städtle erfährt dadurch eine riesige Aufwertung.» «... und im Äule braucht es Gasmasken und Ohrenklappen!» «Solange das Auto für uns so «unheimlich wichtig» ist, müssen wir uns grundsätzlich auch mit seinen Folgeerscheinungen einver- standen erklären.» «Da hast du allerdings recht. Aber dafür trifft's die Bewohnerinnen und Bewohner im Äule besonders hart.» «Welche Bewohner?» «Witzbold! Aber das stimmt, das Wohnen an der Äulestrasse ist wirklich nicht mehr sehr attraktiv. Zudem hat der rapide Anstieg der Boden- und Mietpreise im Vaduzer Zentrum das Seine dazu beigetragen, das immer weni- ger Leute dort wohnen.» «Wie meinst du das?» «Es ist doch klar, dass das Vermieten von Büros mehr Geld bringt!» «Für das Gebiet Aule sind derzeit übrigens sogenannte Spezialvorschriften in Ausarbei- tung.» «Mit diesen Vorschriften werden die anteils- mässigen Nutzungen, wie Büro, Wohnen, Ge- werbe, Archiv und so weiter, festgelegt. 
Gleichzeitig werden neue Rahmenbedingun- gen für das Problem der Parkierung geschaf- fen. Das finde ichgut! Zumindest im Ansatz.» «Erzähl weiter.» Bisher musste man bei Dienstleistungsbetri- ben pro 60 m2  BGF 1 Garagenplatz und 1 Abstellplatz sowie pro Wohnung 
1 Garagen- platz und 1 Abstellplatz realisieren. Die neu- en Vorschriften gehen dahin, dass es auch genügt, nur 50% dieser vorgechriebenen Parkplätze zu erstellen. Die restlichen können eingespart werden. Für jeden solchen «nicht- gebauten» Parkplatz ist der Gemeinde jedoch einmalig ein relativ bescheidener Betrag zu entrichten. Das ist billiger, als einen Parkplatz zu bauen.» «Und was passiert mit dem Geld?» «Das kann ich dir nicht sagen.» «Wäre es nicht denkbar, dass dieses Geld in einen Verkehrsfonds der Gemeinde Vaduz einfliesst, und damit z.B. den öffentlichen Verkehr zu fördern.» «Bei solch heissen Diskussionen könnten sie die Heizstrahler über unseren Köpfen eigent- lich abschalten. Reine Energieverschwen- dung!» «Vor allem gibt's Durst!» «Bringst du uns bitte zwei Stangen und eine dunkle Lady, Camilla.» «Doch zurück! Ein bescheideneres Parkplatz- angebot soll dazu führen, dass mehr Leute mit dem Postauto oder in «Fahrgemeinschaften» zur Arbeit gehen.» «Ja, und weniger Autos bedeuten auch weni- ger Lärm und weniger Gestank.» «Weniger Autos wird's bei den vielen geplan- ten Bauten nicht geben! Also werde ich wei- terhin im Stau stecken — nur einfach im Post- auto.» «Könnte man denn nicht eine der drei geplan- ten Fahrspuren im Aule für Postautos reser- vieren?» «Super, das wäre eine gute Gelegenheit, zu beweisen, wie ernst es uns um die öffentlichen Verkehrsmittel wirklich ist.» 
Das Strassencafé-Gespräch schrieben: Ines Wohlwend-Wanger, Journalistin 
BR Manfred Nigg Helmut Verling (beide Siedlungsplaner HTL) Sie arbeiten zur Zeit u. a. an:   • Siedlungsgeschichte der Gemeinde Vaduz (dokumentiert durch Häuser- und Flurkarten) • Entwicklungskonzept für die Indu- striezone Triesen • Verkehrskonzept Eschen (in Zusam- menarbeit mit einem Ingenieurbüro) • Überbauungsstudien für private Bau- herren «Irgendeine Lösung muss es doch geben, die das Postautofahren attraktiver als das Auto- fahren macht.» «Es lohnt sich sicher, darüber nachzu- denken!» «Auf alle Fälle entscheidet die Strassenraum- gestaltung mit über die Attraktivität für ein- zelne Verkehrsarten wie Fussgänger, Radfah- rer, Postauto und natürlich unser 
allesgeliebtes  Auto.» «Du meinst also, dass wir bestimmte Ver- kehrsarten durch die Strassengestaltung be- worzugen können?» «Eindeutig haben wir bisher dem privaten Autoverkehr den Vorzug geschenkt. Durch die Gestaltung des Strassenraumes soll die Funktion der Strasse und ihre Rangfolge deutlich zum Ausdruck kommen. Alle Stras- senbenützer sollen darum den Zweck der Strasse erkennen können und sich dement- sprechend verhalten.» «Dann gibt es Strassen mit verschiedenen Funktionen?» «Genau, stell Dir einen Baum vor: Die fein- sten Äste wären die Erschliessungsstrassen, über die Sammelstrassen kommen wir zu den Hauptverkehrsstrassen, also zum Stamm. Dieser «Baum» symbolisert die Strassennetz- hierarchie. Die Hauptverkehrsstrasse dient so dazu, den Verkehr aufzunehmen und durch- zuleiten. Auf diese Art Strasse hat es also sehr viele Autos. Für Radfahrer und Fussgänger müssen spezielle Massnahmen ergriffen wer- den. Das heisst, dass eine klare Trennung zwischen schwächeren und stärkeren Ver- kehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern ge- macht werden muss. Im Gegensatz zur Er- schliessungsstrasse, auf der eigentlich nur An- wohnerverkehr anzutreffen sein sollte.» «Ich habe gehört, dass es in Deutschland schon «Tempo 30»-Strassen gibt.» «Ja, in Hamburg wurden schon über 300 Strassen auf diese reduzierte Geschwindigkeit limitiert.» «Die Erfahrungen mit «Tempo 30» sind sehr gut. Erstens wird durch die Reduzierung der Geschwindigkeit die Unfallgefahr wesentlich vermindert, vor allem gibt es fast keine schweren Unfälle mehr. Und zweitens verrin- gert sich die Lärmbelastung um etwa 2-4 De- zibel.» «Glaubst du wirklich, dass eine «30er-Tafel» alleine etwas nützt. Daran hält sich ja doch niemand.»
	        

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