Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1988) (24)

Liecht. Umweltbericht, September 1988 Seite 11 Wärme aus dem Erdinnern (Red.) Die im flüssigen Erdinnern entstehende geothermische Energie, die Erdwärme, fliesst in den schlecht leitenden Gesteinen der Erdkru- ste nur langsam an die Oberfläche. Die Temperatur nimmt bis zur Oberfläche um rund 3 Grad Celsius pro 100 Meter ab. In 30 bis 50 Kilometer Tiefe herrschen Temperaturen von rund 1300 Grad Celsius. Mit Erdbohrungen in 500 bis 2000 m Tiefe könnte die Erdwärme nutzbar gemacht werden.  In 
einem Bericht des Schweizerischen Bun- desrates über Erneuerbare Energie und neue- re Energietechnologien vom Dezember 1987 werden die Regionen Baden-Zurzach, Zü- rich-Bodensee, der Raum Basel, die Rhein- Rhone-Furche, das Aare-Tal von Biel bis Brugg und der Jura-Südfuss als aussichtsreich für die geothermische Nutzung eingeschätzt. Unter geothermischer Nutzung verstehen wir hier nicht die Nutzung der Grundwasserwär- me, die mittels Erdsonden und Wärmepum- pen oder Wärmetauschern erzielt wird. Unter Geothermie verstehen wir hier die Nutzung der Erdwärme mittels Tiefenbohrungen, um an wärmere Gesteinsmassen oder Wasservor- kommen heranzukommen. Eine Untersuchung im Churer Rheintal, also in unmittelbarer Nähe zu Liechtenstein, ge- langt zu ermutigenden Ergebnissen. Die Pro- jektleiter Andrea Tuffli, Andreas Handke (beide aus Chur) und Philippe Bodmer (Zü- rich) schätzen die Geothermie so ein: «Als Schlussfolgerung aus den Ergebnissen der geothermischen Studie kann das Churer Rheintal als geothermisch erfolgsverspreche- de und interessante Zone betrachtet werden. Nutzenswerte Vorkommen sind jedoch an den zentralen Teil des Tales im Bereich unterhalb der Felsoberfläche gebunden. Ein endgültiger und objektiver Nachweis dieser Vorkommen, der zu einer Berechnung des erwarteten geo- thermischen Potentials führt, kann erst nach Abteufen einer oder mehrerer Probebohrun- gen von minimal 500 bis 600 m erbracht werden. Ohne Förderung geht nichts Geothermische Tiefenbohrungen sind teuer. Die meisten Erfahrungen in der Nutzung der Erdwärme weist Frankreich auf, wo seit 1970 mehr als 60 Anlagen gebaut worden sind. Die Kosten für zwei Schrägbohrungen in 1 800 Meter Tiefe belaufen sich auf ca. 6 Mio. Fran- ken. Es gibt keine Gewähr, dass sich die Bohrungen dann auch energetisch ausnützen lassen. Der Schweizerische Bundesrat hat folglich am 13. März 1987 15 Mio. Franken zur Risikodeckung bei Tiefbohrungen bereit- gestellt. Bei Fehlbohrungen werden bis zu 80 Prozent der Bohrkosten zurückerstattet. In einer neuen Wohnsieldung Klotens werden bereits heute 60 Wohnungen mit Wasser statt Öl geheizt. Das Wasser sprudelt aus einem 405 Meter tiefen Bohrloch mit einer Tempera- tur von 19 Grad Celsius, die mittels Wärme- pumpe auf 65 Grad erhöht wird. Dereinst sollen 200 Wohnungen mit dieser Anlage ver- sorgt werden. Die Wärmepumpe verbraucht rund einen Drittel der Energie eines konven- tionellen Ölbrenners. Das sind im Vollausbau 100 bis 200 Kilowatt. Als Stromgrossabneh- mer muss der Bauherr nun allerdings die ent- sprechende Trafostation selbst berappen. Um die diesbezüglichen Kosten von 250 000 Fran- 
ken zu mildern, unterstützt der Stadtrat Klo- ten diese Heizanlage mit einem einmaligen, freiwilligen Beitrag von 80 000 Franken. Bohrkampagne läuft an Die im März 1988 in Riehen bei Basel eröff- nete Bohrkampagne in der Schweiz sieht eine  Bohrtiefe von 1 500 Metern vor. Das Geo- thermalwasser soll dann mittels Wäremtau- schern genutzt werden. Wird man auf der Suche nach Geothermalwasser fündig, muss eine zweite Bohrung erstellt werden. Denn das erhoffte Wasser aus den Klüften der Mu- schelkalkformation darf nicht in Vorfluter oder den Rhein abfliessen, da es zu salzhaltig ist Das Wasser muss über  die sogenannte Dublett-Bohrung wieder in den Untergrund gepumpt werden. Das Potential der Erdwärme veranschaulicht ein Beispiel aus Frankreich: Eine Grossanlage mit 2 Bohrungen von je 1 800 Metern Tiefe fördert pro Stunde 220 Kubikmeter Wasser mit 68 Grad Celsius und deckt den Heizbedarf von 3 000 Wohnungen. Jährlich werden 3 100 Tonnen Heizöl eingespart. Das entspricht et- wa einem Zehntel des Jahresverbrauchs an Heizöl in Liechtenstein. Allerdings ist die Erdwärmenutzung beim heutigen Energiepreis nicht rentabel. Der Wärmegestehungspreis für den Abnehmer schwankt in Frankreich zwischen 4,5 und 7,5 Rp./kWh (1983). Die in Studien von Inge- 
nieurbüros für die Schweiz berechneten Wer- te liegen zwischen 13 und 25 Rp./kWh. Der Wärmepreis auf Heizölbasis liegt deutlich darunter. Minimale Umweltbelastung Die Umweltbelastung geothermischer Ener- giegewinnungssysteme ist äusserst gering. Der primäre Wärmekreislauf bei Dublett-Bohrun- gen ist geschlossen, sodass das geothermische Transportmedium nicht mit der Aussenwelt in Kontakt kommt. Das Landschaftsbild bleibt praktisch unverändert, da der grösste Teil des Wärmegewinnungssystems unterirdisch ver- legt ist. Das technisch nutzbare Potential wird im oben erwähnten Schweizerischen Energiebe- richt nach Inbetriebnahme von etwa 300 Geo- thermieanlagen in der Schweiz auf rund 15 000 Terajoule oder 5 Prozent des Wärme- bedarfs für Raumheizung und Warmwasser- aufbereitung geschätzt. Erdsonde nanlagen sind hierbei nicht berücksichtigt. Eine Probebohrung in Liechtenstein könnte Aufschluss über die nutzbare geothermische Energie geben. An den Finanzen sollte diese Bemühung zur Verminderung der Auslands- abhängigkeit im Energiesektor und zur um- weltfreundlichen Bereitstellung von Energie nicht scheitern. 
■ Literatur: Andrea Tuffli, Andreas Handke, Philip- pe Bodmer: Energetische Bewirtschaf- tung des Untergundes Bericht des Bundesrates: Erneuerbare Energien und neuere Enegietechnolo- gien. Dezember 1987 Tagesanzeiger vom 15. 12. 1987, 10. 3. 1988, 26. 7. 1988
	        

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