Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1988) (23)

Liecht. Umweltbericht, März 1988 
Seite 7 Umweltgerechtes Verhalten Es ist leider Tatsache, dass sich die meisten mit der Veränderung ihrer Verhaltensweisen sehr schwer tun. Wir wissen zwar, wie wir uns umweltgerecht verhalten können. Vom Wissen bis zur Tat ist jedoch ein weiter Weg. Brigitte Batliner, gelernte Apothekerin, hat sich Gedan- ken zu diesem Phänomen gemacht. Brigitte Batliner, Vaduz Eines ist sicher, an Informationen fehlt es nicht. Die Umwelt ist ein Thema, egal ob in Zeitungen, Radio oder Fernsehen. Kinder husten, die Abfallberge wachsen, der Wald stirbt, das Essen wird immer giftiger, der Bo- den unfruchtbarer, ... Die Lage ist ernst und man/frau müsste meinen, dass darüber die Heizungen auf Sparflamme glimmen, kein Mensch unnötig im Auto durch die Gegend fährt, der Abfall fein säuberlich getrennt die Haushaltungen verlässt, das Biogemüse dem chemischen Kraut den Platz im Teller streitig macht . .. Man/frau müsste meinen ... Weder Umwelt-Wochen in einzelnen Schulen (z. B. in Ebenholz), noch Milch aus dem Glas statt Cola aus der Alu-Dose in der Realschule Triesen, weder landesweiter Gratisbus, noch politische Tagungen zur Versöhnung der Öko- logie und Ökonomie können darüber hinweg- täuschen, dass der grosse Umschwung noch nicht gekommen ist. Wird die Rauchgaswa- schanlage der Kehrichtverbrennungsanlage in Buchs das goldene Zeitalter des umweltbe- wussten Verhaltens einläuten? Wohl kaum. «Wem es zu bunt wird, sieht nur noch schwarz-weiss», las ich im letztjährigen Fa- stenkalender. Vielen ist es schon zu bunt ge- worden und sie suchen den Schwarzen Peter am liebsten bei Regierung und den Gemein- den. Klar, das Gemeindeblatt von Vaduz müsste nicht unbedingt wie ein Kaufhauskata- log mit Hochglanzpapier aufpoliert werden. Eine Alu- und Weissblech-Sammelstelle in Vaduz wäre ebenfalls kein Luxus mehr. Viel- leicht könnte die Parkgarage endlich zweck- entsprechend genutzt werden und dafür einer der schrecklichen Parkplätze für Blechkisten im Zentrum in einen Park umgewandelt wer- den. Eine landesweite Landwirtschaftszone wäre ebenfalls ein Fortschritt, der schon lange 
und von verschiedenen Seiten gefordert wird. Vieles liegt in den Händen der Behörden und sie brauchen sie auch nicht in Unschuld zu waschen und in den Schoss legen. Aber nicht nur ... Warum fruchten die vielen Appelle und Infor- mationen so wenig. Man/frau ist geneigt zu sagen, dass sich die Menschen halt nicht ein- schränken wollen, dass sie bequem sind. Mir scheint, diese Argumentation ist auch be- quem. Umweltgerechtes Verhalten, das auf Verzicht aufbaut, ist frustrierend und wird auf die Dauer kaum durchgehalten. Es ist wie mit Abmagerungskuren: 3 Kilo heruntergehun- gert und 4 Kilo hinaufgefressen. «Ich verzich- te ...», «Man darf nicht ...», «Du sollst nicht ...», Dabei sind wir Menschen doch ausgerichtet auf: «Wenn ich einmal ...», «ich wünsche mir ...», «ich möchte ...», Wir le- ben von Wünschen, Hoffnungen und Träu- men. Sie sind unser Motor, dessen Treibstoff oft irrationale Antriebe sind. Ein Beispiel ge- fälligst? Es leuchtet jedem ein, dass es vom energeti- schen Standpunkt aus gesehen ein blanker Unsinn ist, wenn ein 70 Kilogramm leichtes Menschlein, um vom Ort S zum Nachbardorf V zu gelangen, zusätzlich ein eine Tonne schweres Gefährt mitverschiebt. Dieses ver- braucht dabei Benzin, verpestet die Umwelt, und einen Unfall könnte es auch noch geben. Gleichtzeitig fährt auf der gleichen Strecke das Postauto — alle 20 Minuten und erst noch gratis! Ich weiss, es gibt gute Gründe, das Auto zu verwenden. Ich ziehe sie auch immer wieder zur Rechtfertigung heraus. Ganz ehr- lich, ist es nicht auch ein bisschen Freude an der Geschwindigkeit, das erhabene Gefühl, selbst Gas zu geben, und die Richtung selbst zu bestimmen, die Furcht, dass einer/m ande- re im Bus vielleicht zu nahe kommen, oder 
gar etwa Besitzerstolz? Gehören Sie vielleicht zu denen, die es nicht notwendig haben? Warum nehme ich das Auto als Beispiel? Die Behörden haben uns mit dem Nulltarif einen Schritt entgegen getan und es läge an uns vielzitierten «kleinen» Bürgerinnen, zumin- dest nicht in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. Damit möchte ich keineswegs die «Grossen» von der Benutzung der öffentli- chen Verkehrsmittel ausschliessen. Aber noch etwas bewog mich, vom Auto zu reden. Das Auto ist nämlich der Inbegriff von Mobilität, Unabhängigkeit und Freiheit. Kann es aber nicht auch in das Gegenteil umschlagen? Ich denke da an die Mutter, die am Mittwoch- Nachmittag ihre Kinder von einer Veranstal- tung zum nächsten Kurs führen muss und dabei einem gehetzten Taxifahrer gleicht. Es fallen mir aber auch die eiligen Managertypen ein, immer unterwegs, mobil und mit Magen- geschwüren. Dann kommen mir Fahrten zu Schopping-Centers, Sport- und Vergnügungs- parks oder Bäder der Superlative in den Sinn — möglichst gross und weit weg. Unruhe, Stress, Hektik. Nein, es wäre ungerecht, das Auto ist wirklich nicht Schuld daran, denn es wird ja von Men- schen gelenkt, aber .. es leistet einem gewis- sen Lebensstil Vorschub. Das Auto kann Frei- heit bedeuten, aber auch den Zwang, dabei sein zu müssen, konsumieren zu müssen, an vielen Orten gleichzeitig sein zu müssen. Wer das will, kommt schwerlich um das Auto her- um. Das ist wiederum eine Frage der Lebens- einstellung und der Wertmassstäbe. Will ich das, dann empfinde ich auotfreie Sonntage als eine Einschränkung meiner persönlichen Freiheit. Ob es wirkliche Freiheit oder Pseu- dofreiheit des Konsumzwangs ist, möchte ich dahingestellt lassen. Das Auto ist nur ein Beispiel von vielen, wie wir mit uns und der Umwelt umgehen. Um- weltgerechtes Verhalten hat für mich viel mit Bescheidenheit und innerer Zufriedenheit zu tun. Lässt unser kopfloses Zerstören der Um- welt auf den inneren und innersten Zustand unserer Gesellschaft schliessen?
	        

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