Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1987) (22)

Kann sich Liechtenstein selbst ernähren? Der Kulturlandverlust in Liechtenstein ist augenfällig und oft beklagt. Die LGU hat abklären lassen, ob die landwirtschaftlich nutzbare Fläche noch ausreicht, die Bevölkerung zu ernähren. Die Ergebnisse werden in ausführlicher Form als Nr. 2 der Schriftenreihe der LGU noch in diesem Jahr erscheinen. Wir geben nachstehend die Ergebnisse in gekürzter Form wieder. Beeinträchtigung der Naturlandschaft als indirekte Folge der Siedlungstätigkeit (Quelle: Nationalfondsprojekt 22, Boden, Bulletin Nr. 5). 
Liechtensteiner Umweltbericht Selbstversorgung Seite 7 Die starke wirtschaftliche Entwicklung des Fürstentums Liechtenstein seit dem Zweiten Weltkrieg war, neben anderen Auswirkun- gen, mit einem beträchtlichen Bedarf nach Boden verbunden. Dieser wurde pratkisch Mario F. Broggi ausschliesslich im Talboden des Alpenrheinta- les gedeckt, mit der Folge, dass grosse Flä- chen landwirtschaftlich nutzbaren Landes un- wiederbringlich anderen Nutzungen zugeführt wurden. So hat sich die landwirtschaftlich nutzbare Fläche zwischen 1939 und 1960 von 4940 ha auf 3635 ha, also um ein Viertel verringert. 700 ha gingen allein im Zeitraum von 1955 — 1975 verloren, was einem jährli- chen Bodenverbrauch von 35 ha landwirt- schaftlich wertvollen Landes entspricht. Kulturlandverlust Die Bauern, durch die Bautätigkeit oftmals von ihren besten Böden verdrängt, sahen sich gezwungen, die Verluste wettzumachen. Da sich nur in wenigen Fällen der Kauf oder die Zupacht anboten, wurden bisher eher exten- siv genutzte und weniger ertragreiche Flächen neu oder intensiver in Kultur genommen, was dank der modernen technischen Mittel inzwi- schen möglich geworden war. Dies geschah allerdings auf Kosten wertvoller Natur- und traditionsreicher Kulturlandschaften. So wird heute auch in entferntesten wertvollen Ried- landschaften Mais angepflanzt oder der land- seitige Rheindamm, vor noch nicht allzu lan- ger Zeit Refugium für Wildpflanzen und Tie- 
re, weist dasselbe kräftige Einheitsgrün wie die benachbarten Wiesen auf. Die Möglich- keiten, den siedlungsbedingten Bodenverlust durch die Intensivierung naturnaher Flächen wettzumachen, sind jedoch ausgeschöpft, so- dass der Nutzungsdruck auf den Boden nicht mehr durch Neukultivierung ausgeglichen   werden kann. Die künf- tige Ausdehnung der Siedlungs- und Infra- strukturflächen hat also nicht mehr «nur» Arten- verlust in Pflanzen- und Tierwelt zur Folge, son- dern geht zu Lasten wertvollen Landwirt- schaftslandes und somit der Ernährungsbasis. Defizit an Ackerfläche Dies war Anlass für die LGU, abklären zu las- sen, inwieweit die eigene Ernährung des Fürsten- tums Liechtenstein in Zeiten gestörter Zufuhr überhaupt noch gegeben ist. Als Grundlage wur- den die im Auftrag des Schweizerischen Bun- desamtes für wirtschaftli- che Kriegsvorsorge erar- 
beiteten Erkenntnisse, die in der Schweiz zur Festlegung von Fruchtfolgeflächen führten, auf Liechtenstein übertragen. Dabei ergab sich, dass sowohl bezüglich offener Ackerflä- che (derzeitige Ackerfläche) wie bezüglich Fruchtfolgeflächen (ackerfähiges Kulturland, worunter Ackerland, Kunstwiesen in Rota- tion und ackerfähige Naturwiesen zählen) in Liechtenstein bereits ein Defizit besteht. So verfügt Liechtenstein derzeit nur noch über 61 Prozent — 68 Prozent (je nach Quelle) der Ackerfläche und 88 Prozent der Frucht- folgeflächen, die in Krisenzeiten zur Eigen- versorgung minimal benötigt werden. Selbst unter einschränkenden Bedingungen (Rationierung des Nahrungsmittelverbrauchs von gegenwärtig rund 3400 kcal pro Kopf und Tag auf 2400 kcal pro Kopf und Tag) ist das Fürstentum Liechtenstein nicht mehr in der Lage, seine Bevölkerung aus eigenen Kräften zu ernähren. Aus diesen Erkenntnissen sind entsprechende Konsequenzen abzuleiten, etwa in Form der Ausarbeitung eines Bodenschutzkonzeptes. Dieses muss sich zu verschiedenen Problemen klar ausdrücken, so u. a. zur Ausweisung ei- ner landesweiten Landwirtschaftszone. Es muss auch die Abklärung der Möglichkei- ten einer Rückzonierung von zu grossen Bau- zonen in landwirtschaftlichen Gunstlagen so- wie die Aufstellung eines liechtensteinischen Ernährungsplanes für Krisenzeiten enthalten. Wir haben ganz offensichtlich das Erbe unse- rer Enkel schon vorbezogen. Mit einer Ver- drängungs- und «Vogel-Strauss»-Politik wer- den wir diesen existenziellen Zeitfragen nicht gerecht. 
■ Ernährungsplanung für Notzeiten in der Schweiz. Zusammenhang zwischen Kalorienversor- gung (Rationierung), Eigenproduktion und Vorratshaltung. Dieses Konzept führte in der Schweiz zur Festlegung der minimalen Fruchtfolgeflächen, deren Bestandessicherung durch raumplanerische Massnahmen angelaufen ist (Quelle: Informationen Nr. 6 zur Raumplanung im Kanton St. Gallen).
	        

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