Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1986) (20)

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Bachverbauung 
September 1986 Naturnahe Bachverbauung Am 11. Juni 1986 hat in Zürich eine Informa- tionstagung zum Thema «Naturnahe Bachver- bauung» stattgefunden, die von der Schweize- rischen Vereinigung für Gewässerschutz und Lufthygiene veranstaltet wurde. Sieben Refe- renten, die beruflich auf unterschiedliche Art mit dem Gewässerbau zu tun haben — als Ingenieur, Planer, Biologe, Landschafts- schützer — berichteten aus ihrer Sicht über die Möglichkeit und Grenzen des naturnahen Bachverbaues. Die getroffenen Aussagen ha- ben auch für Liechtenstein ihre volle Gültig- keit. Der Hochwasserschutz ist ein zentrales Anlie- gen des Wasserbaus. Noch vor wenigen Jahr- zehnten, ja selbst Jahren, bevorzugten die Gesetzgeber und die Wasserbauer die soge- nannten «harten» Lösungen, wie wir sie an den vielen begradigten, zwischen enge Däm- me gezwängten Flüsse, an Betonerbauungen und künstlichen Bachrinnen noch heute mei- stens antreffen. Inzwischen wird jedoch zu- nehmend auch von Seiten der Amtsstellen eingesehen, dass ausgewogene Lösungen zu bevorzugen sind, in denen die Pflanzen und Tierwelt sowie das Grundwasser in die Plan- überlegungen miteinbezogen werden müssen. Leider hat sich aber der naturnahe Bachbau noch nicht überall durchgesetzt. In Liechtenstein waren Hochwasserkatastro- phen eine dauernde Gefahr. Periodische Rü- feniedergänge, Rheinüberschwemmungen, Probleme mit hohem Grundwasserstand machten die Gewässer  zu einer bedrohlichen Erscheinung für die Bewohner des Landes. Mittels immer stärker ausgebautem Rhein- damm, Entwässerung des landwirtschaftli- chen Bodens durch den Bau von Drainagen und dem Binnenkanal sowie der kosteninten- siven Rüfeverbauungen wurde die Bedrohung entschärft. Eine Bachverbauung im Wangerberg. Triesenberg 
Mit den freifliessenden Gewässern wurden jedoch auch die begleitenden Erscheinungen beseitigt. Die Gewässer wurden bezwungen, gleichzeitig aber die natürliche Vielfalt besei- tigt. Zu den bedeutsamsten wasserbaulichen Eingriffen in die natürlichen Lebenszusam- menhänge gehören die Eindolungen von Bä- chen, die Begradigungen von Bachläufen, die Veränderung des Gefälles und des Bachquer- schnittes, Veränderung der Sohlenbeschaf- fenheit und die Entfernung der Ufer- und Böschungsvegetation. Die Bäche werden auf diese Weise zu eintönigen, begradigten, schnellfliessenden, hindernislosen Abflussrin- nen, in denen sich kaum mehr Leben aufhält. Kaum ein Wässerchen ist dem Perfektionis- mus entronnen. Die meisten Bäche dienen der Entwässerung Liechtensteins. Ausserdem sind durch die Absenkung der Rheinsohle 27 km Grundwassergiessen ausgetrocknet. Na- türliche Bäche sind eingebettet in die Umge- bung. Die Austrocknung von Bächen belegt daher auch einen immensen Verlust an Feuchtgebieten. Lange ist es her, dass die gelbe Teichrose, der Flusskrebs oder der Eis- vogel in Liechtenstein heimisch waren (1950-1970). Mitte des 19. Jhts. floss sogar noch der Rhein relativ frei durch unser Tal. Aus der Sicht des Landschaftsschutzes wird bedauert, dass der «Nutzen des Nichtnutzens» zu wenig erkannt wird. Auf jeden Quadrat- meter Boden entfallen mannigfache Nut- zungsansprüche. Dem Bach und der Land- schaft wird kein Selbstzweck zugesprochen. Mit dieser Grundhaltung werden laufend le- bendige Kreisläufe zerstört, ohne sich deren Folgen bewusst zu sein. Wasserbauliche Ein- griffe sollten daher nur dort erfolgen, wo sie unbedingt nötig sind. Erst in zweiter Linie sollte entschieden werden, wie ein Eingriff vorzunehmen ist. Das Vorbild für wasserbau- liche Massnahmen sollte dabei auf jeden Fall der Naturbach sein. Auf dem begrenzten Raum, den Liechten- stein bietet, müssen eine Vielfalt von Nut- zungsansprüchen Platz finden. Landwirt- schaft, Industrie und Dienstleistung, Woh- nen, Verkehrswege, Erholungsraum, Frei- zeitgestaltung und am Schluss auch der Natur- schutz erheben ihren Anspruch auf den knap- pen Boden. Allzuleicht fallen dabei die Inter- essen des Natur- und Umweltschutzes unter den Tisch. Dessen Nutzen wird immer noch als relativ schwach angesehen. Dabei zeigt sich trotzdem immer wieder die Bedeutung der Natur beispielsweise als Indikator. So ha- ben Fischsterben auf die Verschmutzung der Gewässer hingewiesen. Die Bedeutung der Fliessgewässer und ihres Einzugsgebietes liegt unter anderem darin, dass sie Wasser spei- chern und zurückhalten. Schnelle Abflussrin- 
Waldsterben und Wasserhaushalt In der Jahresschrift des Liechtensteiner Alpenvereins (Bergheimat 1986) hat Hubert Wenzel einen Beitrag mit dem Titel «Auswirkungen des Waldsterbens auf Füren und Bäche» verfasst. Daraus zitieren wir einen Absatz, in welchem der Verfasser auf die Abflüsse im Gebir- ge infolge der Waldauflösung zu spre- chen kommt. Die Abflüsse werden sich, wie aufge- zeigt, zwangsläufig erhöhen. Hochwas- ser bestimmter Intensität und auch die grossen, selten auftretenden Hochwas- serereignisse, die seit jeher das Relief prägten und gegen die auch die beste Bewaldung machtlos ist, werden häufi- ger als bisher in Erscheinung treten. In unseren zwar kleinen, doch steilen, sehr verwitterungs- und erosionsanfälli- gen Einzugsgebieten muss dadurch mit einer starken Intensivierung des Ge- schiebetransportes gerechnet werden, zumal sich die Holzmenge im Geschie- be, die zu den heiklen Verstopfungen der Abflusswege führt, vervielfachen wird. Grosse Rüfegänge, die jetzt alle 20 bis 40 Jahre auftraten, sind dann mit noch grösserer Intensität häufiger zu erwar- ten. Die damit verbundenen Schäden an Bauwerken, Böschungen, die Kosten durch Auffüllen der Sammler mit un- brauchbarem Material, sind bekannt. Die grösste Gefahr aber besteht darin, dass die Profiltiefe der Gerinne stellen-   weise nicht mehr ausreichen wird, so dass es zu Ausbrüchen auf dem Schwemmkegel und damit zu Über- schwemmungen der dort zahlreichen Siedlungen kommt. Wir haben nur wenige grosse Geschie- besammler, alle anderen sind knapp di- mensioniert. Ihre Kapazität wird unge- nügend sein. Ein natürliches Bächlein im Triesner Bofel
	        

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