Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1986) (19)

Grossversuch zur Bekämpfung der Maikäfer im Thurgau Michael Fasel 
  Im 
Frühjahr 1985 wurde im Kanton Thurgau mit der «biologischen» Bekämpfung des Maikäfers begonnen. Durch Besprühung der Landschaft mit dem in der Versuchsanstalt Reckenholz/ZH gezüchteten Pilz Beauveria, sollen die Maikäferpopulationen und -schäden reduziert werden. Umweltschützer, Vogelkundler und Insektenfachleute befürchten die Ausrottung des Maikäfers in diesem Gebiet und mögliche negative Folgen für andere Käfer- populationen und insektenfressende Tierarten. 
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Maikäfer 
April 1986 Durch die nach dreijähriger Entwicklungszeit stattfindenden Flugjahre besitzt der Maikäfer einen allgemein hohen Bekanntheitsgrad. Melontha melontha (L.), so sein wissen- schaftlicher Name, frisst gerne Blätter auf Eichen, Ahorn und Buche, legt seine Eier in den Boden, wo sich die Larve (Engerling) in dreijähriger Entwicklungszeit von Wurzeln, bevorzugt des Löwenzahns, ernährt. Auch andere Wiesenblumen und Obstbäume wer- den vom Engerling befressen. Diese Tatsa- che und der Laubfrass an Kulturbäumen ma- chen den Maikäfer zum «Schädling». Von Zeit zu Zeit können durch kleinräumige Konzentration dieser Käferart die Frassschä- den so gross sein, dass Kulturpflanzenbe- stände absterben, oder zumindest ein be- deutender Ertragsausfall besteht. Zu diesem Zwecke wurde in den meisten Schweizer Kantonen ein «Engerlingsfonds» errichtet. Nicht weniger als 800 000 Franken wurden im vergangenen Jahr im Thurgau daraus be- zahlt. Nun steht der Kanton Thurgau vor dem Ver- such einer Art «Endlösung». Per Helikopter wurde 1985 auf einer Grossversuchsfläche von 90 Hektaren der unter Insektenzüchtern gefürchtete Pilz Beauveria versprüht. Dieser 
Pilz soll sich, so die Maikäfer-Bekämpfer, «fast nur auf die Maikäfer konzentrieren», greift alle Entwicklungsstadien an, und soll innert 8-10 Tagen einen infizierten Maikäfer töten. Der Pilz soll sich im Boden erhalten und von einer Maikäfergeneration auf die nächste fortpflanzen. Eine Reduktion der Maikäfer ist somit erst nach mehreren Gene- rationen, also nach 6,9 oder mehr Jahren zu erwarten. Durch ausführliche Freilandversuche des be- kannten Insektenforschers J. Hermann Meyer aus Wangen, und die Bestrebungen von Vogelschützerinnen der Vogelpflegestel- len Steg und Altnau, kam eine Diskussion zustande, die bedenkliche Mängel dieser Maikäferbekämpfung aufzeigten: • Der Pilz vermehrt sich auch ausserhalb des Bodens Infizierte, besprühte Käfer produzieren inner- halb sehr kurzer Zeit eigene Sporen und wer- den zum lebenden Infektionsherd. • Auch andere Käferarten sind betroffen Nicht nur der Maikäfer, sondern auch seine nahverwandten Arten werden vom Pilz befal- len. Dazu gehört ein Grossteil der einheimi- 
schen Käferfauna, wie z. B. Juni-, Garten- laub-, Getreidelaub-, Rosenkäfer und die un- ter gesetzlichem Schutz stehenden Hirsch- käfer. Über die Folgen für zehntausende Arten der Microfauna des Bodens besteht völlige Unklarheit. Befallene Insektenlarven bilden ein dichtes Mycelnetz im Boden, das der Undurchdringbarkeit von Watte nahe- kommt. Ebenso ist unklar ob der Maikäfer durch diese Art der Bekämpfung ausgerottet wird oder nicht. • Folgen für Insektenfresser Es wurde bisher unterlassen, verpilzte Käfer- nahrung an Vögeln und anderen insekten- fressenden Arten auszuprobieren. Entstehen z.B. aus dem Pilz giftige Folgeprodukte, die dem Jungvogel in der Nahrung zugeführt werden? Maikäfer und Engerlinge bilden durch ihr massenhaftes Auftreten eine Nahrungsquelle von hoher Qualität und Quantität. Raubvögel, die durch Hunger, Parasiten oder Krankheit stark geschwächt sind, zeigen nach der Auf- nahme einiger Engerlinge denselben Gesun- dungsverlauf wie nach einer Vitaminspritze. Farbpigmente und hochwertige Aufbaustoffe erhalten die meisten Vogelarten in reinster Form durch die Insektennahrung. Auch gros- se Beutegreifer wie Mäusebussarde und ver- schiedene Eulen graben vor allem im Früh- jahr häufig nach Regenwürmern und Bode- ninsekten. Die Gewölle an einem Schlafplatz von Steinkäuzen, die im Mai des Maikäfer- flugjahres 1983 gesammelt wurden, bestan- den zu fast 100%  aus Käfer-Chitinteilen. Ge- rade der Maikäfer darf aus diesem Grund nicht so rücksichtslos bekämpft werden. Dies würde eine weitere folgenschwere Ver- armung unserer Landschaft bedeuten. In weiten Teilen der Schweiz sind die Maikäfer ausgestorben. Im ganzen Kanton Zürich fin- den an keinem Ort mehr Maikäferflüge statt. Könnte nicht die Subventionspolitik für die Landwirtschaft vermehrt auf naturnahe und qualitativ bessere Produktion ausgerichtet werden, anstatt eine Überflussproduktion zu unterstützen? In diesem Sinne könnte auch die Schädlingsbekämpfung und der Ersatz für Maikäferschäden geregelt werden. ■
	        

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