Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1984) (15)

Seite 2 Landschaftswandel April 1984 Balzers um 1900 
Balzers uni 1978 Spätestens seit der Untersuchung über den Landschaftswandel in der Schweiz (1978) sind wir in Mitteleuropa für schleichende Veränderungen in unserer Umwelt mehr sensibilisiert. In Liechtenstein ist der Landschaftswandel in etwa gleich verlaufen wie anderswo, nur viel schneller, weil hier der Wandel vom Agrarstaat zur nachindustriellen Gesellschaft im wesentlichen in nur 30 Jahren erfolgte. Besonders der ca. 40 km2 
 grosse liechtensteinische Rheintalraum ist von diesen Entwicklungen stark betroffen. Auf diesem Raum mit vielfältigen Verflechtungen, aber auch mit vehementen Nutzungskonflikten, konzentrieren sich vor allem die nachfolgenden Ausführungen. Der erste wesentliche Eingriff wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der wirksamen Eindämmung des Rheins in ein ihm zugedachtes Bett erreicht. Damit konnte erst eine Kultivierung der Talbene, die ehe- dem weitgehend versumpft war, ermöglicht werden. Die frühere traditionelle Nutzungs- form war auf weiten Flächen die einmahdige Streuenutzung. 
Noch um 1900 waren an die 2000 ha Feuchtwiesen im Talraum vorhanden, von denen nach Entwässerung und Düngung derzeit noch ca. 7 Prozent verbleiben. Der zweite wesentliche Einfluss erfolgte ebenfalls über wasserbauliche Massnahmen. Die Alpenrheinsohle wurde durch grosse Se- dimentfrachten immer höher und mit ihr hat- ten die Dämme zu wachsen.. Ab den 1950er Jahren setzten deshalb massive Kiesentnah- men ein, die vorerst wohl der flussbaulichen Sicherheit dienten. Mit dem zunehmenden Bedarf an wertvollem Baustoff (graues Gold) bei inzwischen nur noch ungenügendem Nachschub (Stauseen und verbesserte Wild- bachverbauung) sackte die Rheinsohle gegen 5 m ab und mit ihr sank auch das umgebende Grundwasserfeld. Schleichendes 
ökologisches Fazit: Rund 35 Kilometer Bäche und Gräben trockneten im Talraum aus, nochmals 56 km sind zeitweise trocken gelegt. 
Allzulange wur- de das Wasser nur als «Gerinne» und «Vorflu- ter» sowie als verdünnendes Medium für Ab- wasser betrachtet und genutzt und der Bezug zum Wasser als Lebensraum und in seinen Wechselbeziehungen zur übrigen Umwelt vernachlässigt. 
So sind gemäss einer jüngsten 
Inventur von 219 km Fliessgewässern im Tal- raum 88 Prozent teilweise oder total verbaut oder gar verrohrt. 
Die Mehrheit der noch vorhandenen 12 Prozent Naturbäche liegt zu- dem im Waldareal. Der Feuersalamander, die Flussmuschel und der Flusskrebs sind u. a. als einschlägige Opfer zu verzeichnen und gelten in Liechtenstein als ausgestorben. Den dritten, den Rheintal-Freiraum wesent- lich beeinflussenden Faktor stellt die indu- 
strialisierte Form der Landwirtschaft dar. Un- sere Landwirtschaft hat sich — zwar verspätet — auch 
an  die Normen der Leistungs- und Industriegesellschaft angepasst (Monokultu- ren, zunehmende Verwendung von Düngern und Pestiziden, schwere leistungsfähige Ma- schinen), wobei ernste Bedenken für eine nachhaltige Bodenfruchtbarkeit gerechtfertigt sind. In einer raschen Aussiedlungsentwick- lung wurden 31 landwirtschaftliche Produk- tionsbetriebe in den Freiraum des Tales ge- stellt (in den 1960er Jahren wurden gar noch 100 postuliert). 
Es ist aber bisher andererseits noch nicht gelungen, eine minimale landes- weilte Landwirtschaftszone als eine der Be- wirtschaftungsgrundlagen auszuscheiden. Es ist offensichtlich, dass diese nationale Aufga- be von vielen verkannt wird, während andern- orts wie in der Schweiz (dringlicher Bundes- beschluss für die Raumplanung 1972) und Vorarlberg (landesweite Grünzone 1977) die Notbremse schon längst gezogen wurde, kön- nen wir uns netto — die Importe (auch Futter- mittel) abgezogen — nicht mehr zur Hälfte selbst ernähren. Eine zunehmende Ausdehnung der förde- rungswürdigen Aussiedlerzone (nicht zu ver- wechseln mit der Landwirtschaftszone) wurde in Liechtenstein kontrovers beurteilt, weil hiervon vor allem bisher periphere, noch na- turnahe Lagen berührt wurden. 
Auch der landwirtschaftliche Strassenbau mit immerhin 226 Kilometern im Talraum, 
was eine Dichte von 82 Laufmetern je ha bedeutet, trägt di- rekt und indirekt Wesentliches zu den schlei- chenden Verlusten und zur Versiegelung der
	        

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