Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1983) (14)

Liechtensteiner Umweltbericht 
Pflanzenwelt Seite 13 lang der Landstrasse zu finden. Diese Tiere fänden hier neben Friedfischen wie Karpfen eine Heimat, wie auch viele Wasservögel (Schwäne, Stockenten, Blässhühner oder Teichhühner). Die Flächen werden derzeit landwirtschaftlich genutzt, sind aber in der Regel vernässt und stellen keinen guten landwirtschaftlichen Grund dar. Die fraglichen Flächen sind im Eigentum der Gemeinde Balzers. Eine Be- von Dr. h. c. Heinrich Seitter Wie einige andere Gemeinden im Alpen- rheintal, besitzt auch Balzers einen Inselberg, den Schlosshügel Gutenberg. Das ist eine Kalkklippe, die sich 54 m über die Ebene des Rheintals erhebt. Es ist allerdings nicht nur ein Kalkfels, der wie viele andere zum Him- mel ragt, sondern ein Gebiet mit einer langen geologischen, botanischen und menschenge- schichtlichen Vergangenheit. Botanisch wei- sen alle diese Inselberge eine Flora relikti- scher Art auf, die sich nur hier bis auf den heutigen Tag halten konnte. Natur und Mensch haben nach dem Abschmelzen des Rheingletschers nach der letzten Eiszeit seine Oberfläche so gestaltet, wie sie sich heute dem menschlichen Auge bietet. Natürlich hat ein solcher Berg zu allen Zeiten die Aufmerk- samkeit des Menschen, in unserem Falle spe- ziell der Botaniker, erregt. Schon Professor Murr aus Feldkirch stellte um 1900 hier 23 der für die Region seltenen Arten fest, wovon ihn viele an seine Heimat, das Südtirol, erin- nerten. Die älteste botanische Besiedlung stellen Alpenpflanzen dar, die in hohen Lagen die Eiszeiten überdauerten und nach dem Ab- schmelzen des Rheingletschers auf dem offe- nen Boden bis ins Rheintal herab wanderten, wo sie sich an bestimmten Stellen bis heute halten konnten. Dazu gehören u. a. Berg- lauch, traubiger Steinbrech, herzblättrige Ku- 
wässerung des Seeleins kann allenfalls durch das Murabächlein erfolgen. Zur Ausgestal- tung sind verschiedene Überlegungen offen. Wie wäre es beispielsweise mit einem illu- strierten Rundweg mit Aussagen über die Na- tur- und Kulturwerte des Burghügels? Wäre so die Gestaltung dieses Seeleins nicht eine reizvolle Aufgabe? In einer Zeit, wo man sonst nur von Umweltzerstörung spricht, könnte hier konstruktiv etwas Schönes wieder erstellt werden. gelblume, Dachhauswurz, dreischnittiger Bal- drian. Zur gleichen Zeit etwa stellten sich aus Nor- den eingewanderte Arten der 
Föhrenwald- steppe ein, darunter Waldföhre, Wacholder, Sauerdorn, Thymian, Sichelklee, gekielter Lauch, Bartgras, 
Hügel-Waldmeister, Schwalbenwurz, blutroter Storchschnabel, Graslilie, niedrige Segge, gewimpertes Perl- gras, gemeine Kammschmiele, Glanz-Liesch- gras, nebst verschiedenen Sträuchern. Als es noch wärmer und trockener wurde, wanderte — diesmals aus Süden — noch einmal eine Gruppe noch 
wärme- und trockenlieben- derer Arten ein. Für einige dieser Arten ist hier die Nordgrenze im Rheintal, weil inzwi- schen auch der Laubwald von Norden und Westen her bis hierhin gelangt war. Hierzu zählen wir die Hügel-Erdbeere, das Glanz- Labkraut, den Genfer Günsel, das Rauhgras, Ähren- und Gamander-Ehrenpreis, den ech- ten Wiesen-Schwingel. Besondere Aufmerksamkeit verdient die ebenfalls um diese Zeit etwa vom Südfuss der Churfirsten (nördl. Walensee) her eingewan- derte Felsenkirsche, die im Felsband am obe- ren Rand der grossen Felswand der westli- chen Hügelseite mit einigen Buschbäumen vertreten ist. Sie kann schon eingewandert sein, als der Rhein noch dem Walensee zu- floss. Es ist ein Baum von äusserst unregel- mässiger Verbreitung, der sonst dem ganzen Rheintale und Nordbünden fehlt. Die näch- sten Fundorte sind das Unterengadin und Südtirol. 
Die Urbarmachung der ganzen Süd- und einem grossen Teil der Hügelostseite kann einiges zum Opfer gefallen sein, was einmal hier seinen Platz hatte. Ursprünglich dürfte es hier einen Föhren-Eichenwald gegeben ha- ben, in dem sogar die Flaumeiche nicht fehlte. Noch später, in einer feuchtwarmen Zeit, be- siedelte der 
Laubmischwald mit Eiche, Linde, Ahorn die Nord- und Westseite des Hügels. Zu dieser Formation gehören auch die gros- sen Efeuspaliere an den Felswänden der Westseite. Dort findet man in Felsspalten auch den für Liechtenstein neuen Gesägten Tüpfelfarn. Daneben gibt es fast alles, was in einen solchen Wald gehört. Um diese Zeit oder schon früher trat der erste steinzeitliche Mensch, vielleicht 5000 Jahre vor unserer Zeitrechnung, ebenfalls hier auf. Sicherere Wohngelegenheiten als diese Inselberge gab es für den damaligen Menschen nicht. Da er schon Ackerbauer und Viehzüchter war, weiss man aus den Funden aus Pfahlbausied- lungen, wie und von was er lebte. Es standen ihm schon 9 Getreidearten und ein Lein zur Verfügung. Mit dem ersten Ackerbau gelang- ten auch die ersten 
Ackerunkräuter mittel- meerischer Abstammung zu uns, darunter die weisse Melde, der Pastinak, die Hahnenfüsse, Mieren, Kletten und Labkräuter. Mit den Römern gelangte schliesslich eine Menge neues Kulturgut in unser Land. Um diese Zeit dürften neue Fruchtbäume und neue Gemüse in das Rheintal gelangt sein. Vielleicht gab es damals den ersten Weinberg auf dem Gutenberg und mit ihm neue Wein- bergbegleiter. Seither gibt es auf Gutenberg das einjährige Bingelkraut, den Zwerg- Schneckenklee, den Weinberglauch, den Nüsslisalat, den gezähnten Acker-Salat, das Schöllkraut, das Zimbelkraut, vielleicht auch die Stachel- und Johannisbeere. Die am West- fusse des Hügels wachsende Schwarznessel mit dem wilden Portulack dürften einst als Gemüse gegessen worden sein. Aber auch die Römer mussten das Feld den Alemannen räumen. Nun entstanden auf den Inselbergen Burgen und Schlösser. Unser In- selberg hiess fortan Gutenberg. Unsere Ale- mannen waren eher Viehzüchter als Acker- bauern. Auch wurde inzwischen die Sense erfunden, die die Graswirtschaft förderte. Mit den Alemannen gelangten wieder neue Pflan- zen auf den Gutenberg. Da gab es einmal bestimmte Heilpflanzen, die sich die Burg- frauen in ihren Gärten hielten, um sie not- wendigenfalls bei der Hand zu haben, z. B. Fenchel, Kamille und andere. Dann besassen sie einen gewissen Schönheitssinn, der sie ver- anlasste im Bereiche der kalten nüchternen Mauern ihrer Schlösser etwas für das Auge zu tun. Darum gibt es dort oben heute noch die deutsche Iris, den Flieder, die gelbrote Tagli- lie, das grosse Immergrün, um nur einige zu nennen. Einige Bäume am Gutenberg wurden ange- pflanzt, so die Lärche, die Hainbuche, die Douglasfichte. Gartenflüchtlinge wählten die Freiheit, darum begegnet uns dort heute der Sommerflieder. Neue Unkräuter, die man früher nicht kannte, traten auf, darunter ver- schiedene Wermut-Arten, fremde Berufs- kräuter und die strahlenlose Kamille. Was es inskünftig dort noch geben wird, wis- sen wir nicht, hoffen aber doch, dass die heutige Buntheit wenigstens erhalten bleibt. 
Gutenbergs botanische Bedeutung
	        

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