Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1982) (12)

(Keine) Perspektiven zur Dorfgestaltung Georg Kieber 
Seite 10 Dorfgestaltung 
November 1982 Jene Häusergruppen, um deren Er- haltung die örtliche Kulturkommis- sion sich bemüht, sind nicht von Pla- nern entworfen. Trotzdem sind sie schön, weil sie Mass am Menschen genommen haben, weil sie oft in har- monischem Einklang mit Naturvorge- gebenheiten stehen und durch eine einfache Nutzungsarchitektur über- zeugen. Gerade in Mauren, wo es kaum reiche Vorfahren gab, wider- spiegeln sie auch ein Stück weit das einfache Glück seiner Bewohner. Heute ist Bauen noch das Vorrecht der Fachleute. Die Fachleute kom- men aus den gleichen Schulen und bauen im ganzen Land: die Architek- turen gleichen sich an, wachsende Gleichförmigkeit. Bei den grösseren öffentlichen Gebäuden ist Handwerk kaum noch gefordert, sie entstehen aus vorfabrizierten Teilen. An den Postautohaltestellen in Mauren ha- ben wir als Unterstände wortwörtlich grosse, gelbe Eisen-Plastikbehälter aus der Fabrik. Dazu kommt die Planung, im Prinzip wohl nützlich und notwendig, doch sie ist starr und sie wurde zu einer uns Menschen übergeordneten diktatori- schen Autorität. So wird auf irgend einem Plan eine «Schulzone» farbig markiert. In dieser Zone befindet sich zufällig das Kaplaneihaus. Das Ergebnis ist erstaunlich: Das Kapla- neihaus, sofern es stehen bleibt, darf nicht von Menschen bewohnt wer- den, weil in der Schulzone keine Menschen wohnen dürfen. Wilde Blüten treibt der Fortschritt natürlich auch im Strassenbau. Wer auf die flugbahn- ähnlichen Sackgassen mit beidseitigem Trot- toir im Gebiet Guler verweist, erntet allge- mein Zustimmung mit Bezug auf die Unver- hältnismässigkeit. Der Gänsenbach (er heisst heute nicht mehr so, weil alte, verwurzelte Ortsbezeichnungen dem Zeitgeist entspre- chend neue Namen haben), früher jener Dorfmittelpunkt, wo sich das Leben auf der 
Café Matt-Stiege  konzentrierte, ist heute tot. Ein Platzkonzert des Musikvereins ist dort wegen des Autolärms infolge der zulässigen Geschwindigkeiten nicht mehr möglich. Doch das wurde früher verursacht, freilich. — Im Steinbös scheiterte der Begradigungswille, weil ein im Abbruchsvisier stehendes Haus von seinem Besitzer (Käufer) nicht frei gege- ben 
wurde und auch weiter oben kam man 
Grosse gelbe Eisen-Plastikbehälter aus der Fabrik als Postautohaltestellen scheinbar nicht durch. Ein altes, schönes Quartier präsentiert sich zerschlissen wie ein Turnierplatz, auf dem der Kampf zwischen Anwohnern und Gemeinde noch im Gange ist. Die Wiese neben dem «Hirschen» soll Parkplätzen weichen. Die Dorfeinfahrten sei- en zu verlangsamen, sagen uns die Fachleute, nur das Sattlerhaus musste abgerissen wer- den, weil der Freihofrank zu begradigen und verschnellern war. Der Vorschlag, auf dem Strassenstück am Weiherring beim Jugendhaus durch einfache, mobile Baukörper versuchsweise für einen Monat eine Verkehrsberuhigung zu erwirken, konnte von der Gemeinde nicht aufgegriffen werden mit den Hinweisen, dass dafür die notwendige Signalisation durch die Regierung zu bewilligen wäre und dass zudem die Frage der Verantwortlichkeit im Falle von Ver- kehrsunfällen ungeklärt sei. Die alten Pappeln bei der Kirche wurden gefällt, weil der Fortschritt dort Parkplätze 
wollte. Kritik konnte damals leicht abgetan werden mit den Argumenten, Pappeln seien ohnehin fremdländische Bäume. Heute ste- hen vis-ä-vis ebenso fremdländisch neuge- pflanzte Platanen. Vielleicht werden noch wir sie eines Tages mit dem gleichen Argument fällen. Diese lose zusammengetragenen Beispiele zeigen, dass eine Perspektive zur Dorfgestal- tung erst noch gefunden werden muss. Bis jetzt sind es unterkühlte Lösungen, die Mass an der Nützlichkeit und am Auto nehmen.   Dorfgestaltung heisst nicht nur, die angeb- lichen Interessen der Bürger zu verfolgen. Man dürfte sie auch durch ästhetische, dörf- liche Lösungen überraschen. Die Perspekti- ven lägen in der Grundidee. Mauren liegt abseits des Durchgangsverkehrs. Der ver- kehrsbedingte Sachzwang für Schaanwald, Nendeln oder die Gemeinden des Oberlan- des, ist für Mauren nicht gegeben. Mauren könnte eigenwillige, vielleicht erstre- benswert eigensinnige Vorstellungen verwirk- lichen. Die Perspektive wäre ganz einfach der Mut, aus der Rolle zu fallen. So aber sind es Planungen, Sachzwänge, übernommene tech- nische Lösungen, die Initiativen ersticken las- sen, die den Bürger ermüden und es ihm verunmöglichen, die ihm zugängliche Infor- mation in Handlung umzusetzen. Es fällt dem Bürger schwer, sich als Teilhaber und Partner der Gemeinde zu verstehen. Ein oft betriebe- ner Perfektionismus und der Verweis auf übergeordnete Normen verurteilt uns Ein- wohner zu Untätigkeit. Die Möglichkeit der Ausnützung von Gegebenheiten, Zufällen und Einfällen ist nicht mehr gegeben. Aber die Gemeinde sind wir. Manche Unzu- länglichkeiten, die hier angesprochen sind oder zum Beispiel die Bauzone am Gupfenbü- chel sind nicht nur bedingt durch die besonde- ren Eigentumsverhältnisse am Boden, son- dern signalisieren auch Verlust einer gefühls- mässigen Beziehung zu Landschaft und Um- welt.
	        

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