Fürst Franz Josef II. und die Habsburgermonarchie
Von 1962 bis 1970 war Gerard Batliner Regierungschef Fürst Franz Josefs II. von
Liechtenstein, nach Alexander Frick ins Amt gekommen als Repräsentant einer
wesentlich jüngeren Generation. Auch im Fürstentum Liechtenstein legt die
Generationenfrage lange Reflektionen über die Schnellebigkeit des 20. Jahrhun-
derts nahe. Dazu eröffnet die Nachfolge des 1945 geborenen Fürsten Hans
Adam II. nach seinem 39 Jahre älteren Vater weitere interessante Perspektiven —
doch solche Aktualisierungen sind nicht die Aufgabe des Historikers.
Der Generationenwechsel war freilich noch sehr viel schärfer, als Fürst Franz
Josef II. (1906-1989) seinem Grossonkel Fürst Franz (1853-1938, Fürst 1929)
1938 als Regent und 1939 als Fürst nachfolgte. Nicht weniger als 53 Jahre Alters-
unterschied lag zwischen den beiden Fürsten. Selbstverständlich war das Verhält-
nis ebenso wie die Nachfolge nicht ohne Spannungen, was der alte Fürst Franz
Josef II. später selbst durchaus als problematisch empfand. Der Respekt vor dem
Grossoheim und der Wunsch nach seiner Würdigung waren denn dem alten Für-
sten wichtig, Ausdruck grosser politischer Erfahrung und menschlicher Gross-
zügigkeit. Die biographischen Höhepunkte Franz’ I. lagen in der späten Habsbur-
germonarchie, in der er eine nicht unbeträchtliche Rolle spielte.? Die kulturelle
Bedeutung des nachgeborenen Prinzen von Liechtenstein, sein Anteil an ihrer
intellektuellen Entwicklung, sein Engagement für die Denkmalpflege waren dem
Grossneffen stets gegenwärtig, und er betrachtete sie mit Stolz. Franz’ Rolle als
Leiter der österreichischen Denkmalskommission, als Vorsitzender der Kommis-
sion für neuere Geschichte Österreichs, als Gründer des Instituts für osteuropä-
ische Geschichte der Universität Wien, als Vertrauensmann des Erzherzogs Franz
Ferdinand‘ traten in Gesprächen mit Fürst Franz Josef II. stets deutlich hervor;
ihm war auch klar, dass Erzherzog Franz Ferdinands Pläne, den Prinzen Franz
von Liechtenstein zum Reichskanzler Österreich-Ungarns zu berufen,” einen
Staatsstreich gegen den österreichisch-ungarischen Dualismus, vor allem gegen
die ungarischen Ansprüche, bedeutet hätten. Die Sicht des Fürsten Franz Josef
entsprach wohl der Position der Familie — und diese war natürlich mehr gesamt-
österreichisch als ungarisch. Aber Fürst Franz Josef war über die Person des
Grossonkels hinaus vielfach verbunden mit der späten Monarchie — und er, der
Sohn einer Habsburgerin, sah die Monarchie nicht nur aus der Perspektive des
Hauses Liechtenstein, sondern durchaus auch aus der der altösterreichischen
Hocharistokratie — aber gerade hier werden die Spannungsfelder des Hauses deut-
lich. Der Fürst selbst war ja das erstgeborene Kind des Prinzen Alois von Liech-
tenstein (1869-1955) und seiner Gemahlin Elisabeth Amalie (1878-1960), gebo-
Vgl. dazu ÖBL 5, 1972, S. 204 f. Demnächst: Volker Press, Fürst Franz I. von Liechtenstein, in: JBL.
Walter Leitsch u. Manfred Stoy, Das Seminar für osteuropäische Geschichte der Universität Wien, Wien,
Köln, Graz 1983.
Eine zufriedenstellende wissenschaftliche Biographie fehlt bislang. Vgl. aber: Georg Franz, Ferdinand
von Österreich-Este, München 1943; Rudolf Kiszling, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este.
Leben, Pläne und Wirken am Schicksalsweg der Donaumonarchie, Graz-Köln-Wien 1953; Robert Kann,
Erzherzog-Franz-Ferdinand-Studien, Wien 1976; Friedrich Weissensteiner, Franz Ferdinand, Der ver-
hinderte Herrscher, Wien 1983; Maximilian Polatschek, Franz Ferdinand. Österreichs verlorene Hoff-
nung, Wien-Zürich 1989.
Vgl. Goldinger (Hg.), Aufzeichnungen des Grafen Kielmannsegg (wie An. 11), S. 165.
51