Volltext: Vaduz: ein Heimatbuch

Da arbeitete er einmal auf dem Acker neben seinem Hause, ein Blick auf den 
steilen Hang der Kälberweide — was sah er? Ein mächtiger Felsbrocken polterte 
herunter, gerade auf sein Haus zu. „Maria Einsiedeln!“ rief der Zacher noch aus; 
da blieb das Felsstück auf dem Hange liegen. Schnurstracks ging er in sein Haus, 
nahm eine Tasche, steckte ein Brot hinein und sagte zu seinem Weibe nur: „I go 
gi Maria Äsiedla“, und schon machte er sich auf den Weg, ohne Geld und unge- 
waschen — natürlich zu Fuß. So löste man damals Gelübde ein. 
Sein Sohn Johann Markus ging nach Triesen zur Stuberti. Eines Morgens 
mähte der Vater schon beim Meierhof, als der Sohn vorbeischlich. „Armer, armer 
Sackerment“, waren die einzigen Worte zum Fünfundzwanzigjährigen. Bei einem 
richtigen Sauwetter kam der „Buab“ wieder einmal von Triesen, und der Vater 
erklärte ihm gerade, er sei der dümmste Kerl, der im Lande herumlaufe. Da 
hatte der Sohn Glück: Ein Balzner ging vorbei, der gerade aus Planken von der 
Stuberti kam, was dem Vater natürlich gleich erklärt wurde. „Dann gibt es halt 
noch mehr solche Kälber“, meinte dieser nur, und das Thema war abgeschlossen. 
Sieben Jahre sei kein Föhn gekommen im Herbst, wird erzählt, und der 
Türken war nicht reif geworden, der Riebel kaum zu essen und ohne jede Kraft. 
„Bevor mein Lädeli in der Nacht nicht pfeift, wird es nicht besser“, meinte der 
Zacher. Und richtig, der Föhn kam, der Fensterladen knarrte und pfiff, und der 
Zacher stand um 2 Uhr in der Nacht auf und rief die anderen Alten im Altenbach, 
and fröhlich besprachen sie das Ereignis bis zum Morgengrauen. 
Eine zähe Natur hatte er, der kleine Mann. Da war er einmal „freveln“ 
gegangen in den Wald, Linden entrinden, um Bast zu gewinnen. Er rutschte mit 
dem Beil am Baumstamm aus und riß sich auf dem Kopf eine tief klaffende 
Wunde. Daheim verband er sie mit einem Tuch. Es wird schon wieder besser 
werden! Aber es wurde schlechter und der Doktor mußte her. Der schlug die 
Hände über dem Kopf zusammen, denn Rinde, Moos und Laub kamen in ganz 
gehöriger Menge „aus dem Kopf heraus“, wie der Zacher sich ausdrückte. 
8o Jahre war er schon alt, als er eines Tages voll Freude zu den Buben kam, 
die gerade am Abend vor seinem Haus versammelt waren. „Jetzt weiß ich, daß 
ich noch lang nicht sterben muß“, eröffnete er ihnen. „Warum denn, Zacher?“ 
fragten sie ihn neugierig. Und er berichtete ihnen, es sei ihm ein Zahn ausgefallen, 
und nun wachse ihm mit 80 Jahren ein neuer nach. Wenn man noch so viel 
Kraft hat, dann stirbt man nicht gleich, war seine Erklärung, und sie stimmte 
auch. Der Zacher wurde 93 Jahr alt. 
Als es dem Ende zuging, ließ er doch einmal den Arzt holen. Der merkte gleich,
	        

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