Volltext: Vaduz: ein Heimatbuch

ersparte, indem er ein Stück Türkenbrot von daheim mitnahm und bei den Schwab- 
brünnen zwischen Schaan und Nendeln, wo gutes Wasser war, einkehrte. Die so 
ersparten Sechser verwendete er dann für Bücher und mathematische Instrumente. 
Ein Kreuz für ihn war, daß er bei Tag immer zur Arbeit angehalten wurde, 
und bei Nacht wollte man ihm kein Licht gönnen, weil es zuviel kostete. Da mußte 
er nun Algebra und Geometrie beim Mondschein studieren, wenn solcher war; 
wenn nicht, ersann er ein anderes Mittel: Er höhlte Rüben aus, füllte sie mit 
Il und steckte einen Nachtlichtdocht hinein.“ 
Ist das nicht eine Geschichte zum Nachdenken für die jungen Leute, denen 
in der Schule heute jede Möglichkeit gegeben ist? ' 
Jede Zeit meint, daß das Geld zu rar sei. Wir können uns aber gar keine 
Vorstellung machen, wie schwer es war, Geld aufzutreiben, wenn man zum Bauen 
oder für einen Kauf solches brauchte. Es gab keine Banken, und der einzige Weg 
war zu Geldgebern in Graubünden, die sich selber die „Bündner Kapitalisten“ 
nannten. Der Zinsfuß war gewöhnlich 4 oder 5 Prozent, das Schwerste war aber 
immer die Rückzahlung. Die Bareinnahmen waren gering und reichten kaum zum 
Nötigsten des Lebensunterhaltes, oft nicht zum Verzinsen des Darlehens, beim 
besten Willen nicht. Im Grundbuch finden wir Darlehen von 15 oder 20 Gulden 
eingetragen, und mancher Posten wird über 100 Jahre verzinst, bis die Rück- 
zahlung gelingt. Allzu oft aber muß ein Stück Boden herhalten, und dann ist die 
Existenzgrundlage noch schmäler geworden. 
Der Lohn bei der noch dazu seltenen Taglohnarbeit war gering. 1840 erhält 
der Maurer 40 Kreuzer, der Handlanger 28 im Tag. Der Gulden hatte 60 Kreuzer, 
so daß mehr als zwei Tage um ı Gulden gehandlangert werden mußte. Der pro- 
visorisch angestellte Lehrer bekam damals 100 Gulden im Jahr. 
So wird uns klar, daß die zwingende Notwendigkeit bestand, alles, was immer 
möglich war, ohne Bargeld selbst herzustellen. Die Selbstversorgung des Dorfes 
war ein Wirtschaftsgesetz von den ältesten Zeiten bis fast in die Zeit unserer 
Großeltern. Gesponnen und gewoben wurde im Bauernhause, auch Brot gebacken, 
und als Waschmittel bereitete man sich Aschenlauge, als Putzmittel holte man sich 
Sand vom „Fegetiloch“, die Schuhcr&me entstand aus Ofenruß und Darmfett, 
und gar zu oft ersparte man den Arzt mit eigenen Hausmitteln, mit Tee ver- 
schiedenster Art oder einer „Universalsalbe für Haus und Stall“. Matratzen gab 
es nicht, der Laubsack tat seinen Dienst genau so gut. Das Laubholen im Walde 
war ein Festtag der Kinder. 
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