Zwei kleine Gedichte bringen eigene Lebenserfahrungen. Wir wollen sie ohne
Erklärung nebeneinandersetzen..
ı1. September 1873
Im „Engel“ zu Vaduz
sag aller Welt ich Trutz.
Hab meinen eigenen Engel mitgebracht,
hat mir das Herz im Leib gelacht.
Ein Junger Ehemann aus Stuttgart.
Und darunter steht:
September 1893.
Ich frag’ den Mann nach zwanzig Jahren,
was er inzwischen hat erfahren,
ob aus dem „Engel“ nach dieser Frist
nicht etwas andres geworden ist?
Ein alter Ehemann aus München.
Echte akademische „Alt-Herren-Stimmung“ atmet das folgende Gedicht:
Zwei alte Philologen,
die saßen auf Liechtenstein
und führten gar weise Reden
beim edlen Vaduzerwein.
Und als ein Fläschel ums andre
kam sachte angerückt,
da war ihre Weisheit beim Teufel,
sie waren doch beglückt.
Und tranken rüstig weiter
und waren still und froh.
Ach, lieber Herr College,
wann wird’s uns wieder so?
Auch der Komponist Josef Rheinberger fühlt dieses Wohlbehagen, vielleicht
doppelt, weil es im Heimatland ist:
[ns alte Schloß zu Liechtenstein
zog ich, ein müder Wandrer, ein
nach weiter Reise Plagen.
Da perlt im Glas der kühle Wein,
zum Erker sah die Sonn’ herein,
‘ch fühlt’ ein groß Behagen.