Volltext: Die parlamentarische Kontrolle über die Regierung im Fürstentum Liechtenstein

nung des liechtensteinischen Rechtsschutzsystems»16. Als zweiter europäi­ scher Staat (nach Osterreich) hat Liechtenstein die Verfassungsgerichtsbar­ keit mit umfassenden Kompetenzen der konkreten und abstrakten Nor­ menkontrolle eingeführt.17 Da der Staatsgerichtshof18 für die vorliegende Untersuchung von beson­ derer Bedeutung ist, sind seine Funktionen an dieser Stelle ausführlicher zu erwähnen: Der StGH ist erstens, nach Erschöpfung des Instanzenzuges, zuständig für Beschwerden wegen Verletzung verfassungsrechtlich garan­ tierter Rechte (Art. 104 LV). Darunter sind nach ständiger Rechtsprechung die im IV. Hauptstück der Verfassung umschriebenen Rechte zu verstehen. Er entscheidet zweitens auch über Beschwerden wegen Verletzung der Rechte der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfrei­ heiten vom 4.11.1950 (EMRK).19 Die Bestimmungen der EMRK stehen «mindestens auf Gesetzesstufe»20. Das Beschwerdeverfahren ist analog jenem wegen Verletzung verfassungsmässig garantierter Rechte. Da Art. 104 LV indessen nur von verfassungsmässigen Rechten spricht, ist nach STOTTER «eine solche Kompetenzerweiterung des Staatsgerichts­ hofes ... durch einfaches Gesetz nicht möglich» und verfassungswidrig. Drittens ist der Staatsgerichtshof der Normenkontroll- und Kompetenz­ konfliktsgerichtshof.21 Er ist zuständig für die Prüfung der Verfassungsmäs­ sigkeit von Gesetzen und der Gesetzmässigkeit von Verordnungen sowie für Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Der StGH fungiert viertens als Wahl- und Verwaltungsgerichtshof. Art. 59 Abs. 1 LV legt zwingend fest: «Über Wahlbeschwerden entscheidet der Staatsgerichtshof.» Art. 55 Lit. a StGHG schränkt diese Zuständigkeit ein auf «Entscheidungen der Regierung in Wahlangelegenheiten», eine nach STOTTER22 verfassungswidrige einfachgesetzliche Beschränkung seiner allgemeinen Zuständigkeit als Wahlgerichtshof. Der StGH als Verwaltungs­ 16 KIEBER, 61. 17 BATLINER, Porträt, 14; OSPELT, Gerichtswesen, 241. 18 Vgl. im folgenden STOTTER, Staatsgerichtshof. 19 LGBl 1982 Nr. 57. Neufassung von Art. 23 StGHG. 20 BECK/WILLE, EMRK, 247; STOTTER, Staatsgerichtshof, 168. In neueren Urteilen des StGH werden die Bestimmungen der Konvention zwar implizit, aber ganz selbstverständ­ lich als auf der Stufe von verfassungsmässigen Rechten stehenden Normen behandelt (StGHE 1984/11, 1984/11/V, 1986/4, 1986/4/V, 1987/3). 21 Art. 104 LV. 22 STOTTER, Staatsgerichtshof, 169. 89
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.