Volltext: Die parlamentarische Kontrolle über die Regierung im Fürstentum Liechtenstein

zeitliche Dringlichkeit241 nicht besteht, ist die Regierung zur vorgängigen Krediteinholung verpflichtet. In der Praxis unterscheidet die Regierung allerdings nicht ausdrücklich zwischen Nachtragskrediten gemäss Art. 11 FHG und dringlichen Aufwendungen gemäss Art. 12. In den Jahren 1978-85 wurden diese Gesetzesbestimmungen überaus grosszügig interpretiert: Am 17.12.1981 wurde ein Nachtragskredit vor­ gelegt, mit welchem rückwirkend bis 1. Januar 1980 Jubiläumsgeschenke für Staatsbeamte, Angestellte und Lehrpersonen bewilligt werden sollten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Auszahlungen der Barbeträge für das Jahr 1980 schon vorgenommen worden.242 Abg. Gerard Batliner wies darauf hin, dass mit diesem Vorgehen das Gesetz verletzt wurde.243 Am 17.11.1982 hatte der Landtag Nachtragskredite für den Bau des Be­ treuungszentrums St. Martin in Eschen nachträglich zu bewilligen. Der Kostenrahmen konnte hauptsächlich deshalb nicht eingehalten werden, weil «aus Gründen der Zweckmässigkeit und zur Schaffung zusätzlicher Räume... das Volumen des umbauten Raumes im Neubau während der Ausführungsplanung erweitert» wurde.244 Auch in diesem Fall wurde durch das zu späte Einholen des Kredits die Finanzkompetenz des Parla­ ments umgangen. Abg. Hermann Hassler stellte fest: «Was können wir denn anderes tun, als jetzt uns vor den Tatsachen zu beugen und im Inter­ esse der Sache noch einmal in den Sack zu langen? Ein ungutes Gefühl, in die Sackgasse getrieben worden zu sein, bleibt dem Abgeordneten alle­ mal.»245 Ahnliches gilt für den Nachtragskredit vom 5.10.1983 über Fr. 50000.- für Briefmarkenwerbung. Obwohl diese Werbung kaum dringlich im Sinne des Gesetzes war, wurde die Ausgabe schon vor der Kre­ ditbewilligung getätigt. 241 Die Dringlichkeit i. S. v. Art. 12 FHG ist zu unterscheiden von jener des Art. 66 LV: die Dringlichkeit im Sinne des Verfassungsartikels betrifft das Verhältnis zwischen Landtag und Volk; durch sie wird ein Landtagsbeschluss dem Referendum entzogen. Die Dring­ lichkeit im FHG hingegen betrifft das Verhältnis zwischen Regierung und Landtag; sie berechtigt die Regierung, gewisse Aufwendungen ohne vorherige Einholung eines Nach­ tragskredites vorzunehmen. 242 LT Prot 81IV 1136. 243 LT Prot 81IV1142. Dass auch andere Regierungen diese Vorschrift möglicherweise ver­ letzt hatten, ändert nichts an der Unzulässigkeit dieses Vorgehens. 244 LT Prot 82 IL 245 LT Prot 82 H 505. 246
	        

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