Rhein und Rüfen
Rheinwuhrstreite
Soweit urkundlich erfassbar, ist Triesen jene Rheingemeinde, die
sıch am meisten des Rheins erwehren musste. Nicht umsonst ist jene
Stelle, an der der Rhein in gerader Richtung vom Schollberg her gegen
Triesen vorstösst, am sogenannten Trachterkopf - das Gebiet des Heilos
und Gartnetsch — als der «Schlüssel des Landes» (Hektameter 67-73)
zewertet und bezeichnet.
Ebenso ist es nicht verwunderlich, wenn sich die Triesner mit aller
Kraft dagegen wehrten, den Rheinstrom noch weiter ins Dorf herein
verschoben zu erhalten. Sie wehrten sich damit nicht für sich allein, son-
dern für alle weiter unten liegenden Gemeinden und damit für das ganze
Land.
Der Rhein wechselte die «Rheinhofstatt». So berichtet ein Wuhr-
streit mit Sevelen von 1562, dass zwei neue Giessen entstanden seien.
Wo blieb die Grenze? Diese festzusetzen war nun ab Datum des
Schiedsspruches vom 16. Mai 1562 nicht mehr den Gemeinden überlas-
sen, sondern Sache der «Obrigkeiten» beidseits des Rheins. «Bez künfti-
gen Anständen sollen die beiden Gemeinden sich nicht selbst Recht ver-
chaffen, sondern ihre Herren und Vorgesetzten darum ersuchen.» (]BL 2
5. 203). Gleichzeitig wurde für solche künftigen Streifälle das schiedsge-
richtliche Verfahren festgelegt. Am 21. Mai 1649 entschied ein Schieds-
zericht wiederum in einem Wuhrstreit zwischen Balzers/Triesen und
Wartau: «In Zukunft sollen nicht mehr die Gemeinden, sondern ihre
Obrigkeiten Streitigkeiten betreff der Wuhre ausgleichen.» Damit über-
nahm der Staat die Verantwortung für die Landesgrenze, für Erhalt des
Eigentums oder den Verlust von Grundeigentum. Ungefähr gleich ver-
ıelt es sich auch rheinabwärts. Bereits 1618 erging in einem Schieds-
spruch wegen Wuhrstreitigkeiten an die betreßenen Gemeinden die
Weisung, dass künftig nur mehr mit Zutun und Vorwissen der Obrigkeit
zewuhrt werden dürfe.
Das Land nahm sich - aus heutiger Sicht beurteilt - reichlich spät
der Wuhrstreitigkeiten an. Die einzelnen Schiedssprüche formulierten
kein einheitliches Recht, das heisst keine von der «Rheinhofstatt» unab-
1ängige Grenze. Es wurde nicht planvoll am Rhein gewuhrt, sondern
vielmehr planlos, wie sich aufdrängende Schäden bei Rheingrössen
ergaben, bei Wuhreinbrüchen und Erstehen neuer Giessen, wobei es
sıch zeigte, dass der stärkste Rheingiessen durch das ganze Rheintal zu
Gunsten der westlichen Rheinseite und zum Schaden der rechtsseitigen,
_1echtenstein und Vorarlberg, sich ım Laufe der Jahrhunderte verscho-
ven hatte, mit dem Ergebnis, dass heute auf Schweizer Seite ein breites
iruchtbares Rheinvorland besteht und bei uns der Rheinstrom selbst bis
ın den Fuss der Berge reicht, Triesen fast nichts mehr von seinem ehe-
naligen grossen Anteil an der Rheinebene besitzt!
Liechtentein war seit 1815 Mitglied des Deutschen Bundes. Als
solches wollte es 1820 sogar die Hilfe des Bundes in Rheinwuhrsachen
anrufen:
«Der Vorteil für Liechtenstein bestand darin, dass es durch den Deut-
ichen Bund einen starken Rückhalt bekam, der gerade für dieses kleine
Land von Bedeutung war. So wurde schon 1820 dem Kanton St. Gallen
gedroht, man werde eine Streitigkeit wegen eines eigenmächtigen Wuhr-
banes der Gemeinde Sargans, wodurch das ganze Land bedroht werde, der
Bundesversammlung vorlegen wegen Gebietsbedrohung eines deutschen
Staates. Auch ein Jahr später, als das Oberamt befürchtete, dass die durch
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