Armut, Kriege und Notzeiten
nisse etc.). Im Rechenschaftsbericht der Regierung für 1939 heisst es:
«Auf Grund des Zollvertrages haben die fürstl. Regierung und das Eidg.
Volkswirtschaftsdepartement vereinbart, in Liechtenstein grundsätzlich die
nämlichen kriegswirtschaftlichen Massnahmen, wie Produktions- und Ver-
brauchslenkung und insbesondere die Rationierung von Lebensmitteln
durchzuführen, wie in der Schweiz.»
In einem Zirkularschreiben der Regierung vom 2. September
1939 (Kriegsausbruch) heisst es, der Landesfürst habe Neutralitätserklä-
rung an alle am Kriege Beteiligten ergehen lassen, die dankend entgegen
genommen worden sei,
«Auf Grund des Zollvertrages hat die Regierung mit der Schweizeri-
schen Bundesregierung Vereinbarungen über eine ausreichende Versorgung
unseres Landes mit Lebens- und Bedarfsartikeln getroffen, damit die täglı-
chen Bedürfnisse gedeckt werden können.»
Niemand musste während des zweiten Weltkrieges Hunger lei-
den. Wir waren gleich versorgt wie die Schweizer: gleiche Rationen,
gleiche Preise, etc. Der zweite Weltkrieg mit der freundnachbarlichen
Hilfeleistung der Schweiz hat die Liechtensteiner fest an die Schweiz
verkettet. Denn der grösste Teil der Bevölkerung hatte noch den ersten
Weltkrieg erlebt, als wir mit Österreich wirtschaftlich verbunden waren.
Österreich konnte uns beim besten Willen nicht mehr helfen und litt
selbst Not.
Auch wenn bei uns nicht genügend Getreide, Kartoffeln, Mais
und Obst geerntet werden konnten, seit dem Aufkommen der Eisen-
bahn in Europa und dem Zollanschluss an Österreich konnten wir ver-
sorgt werden: Es gab keine Hungerjahre mehr, wie wir sie aus den alten
Urkunden kennen.
im ersten Weltkrieg wurde eine aus Landtagsabgeordneten beste-
hende Notstandskommission des Landes bestellt, die sich hauptsächlich
mit der Beschaffung der lebensnotwendigen Güter befasste. Die Vertei-
lung der Lebensmittel etc. an Bedürftige erfolgte durch die Gemeinde-
notstandskommissionen, die mit einer Regierungsverordnung im Ein
vernehmen mit dem Landtage am 30. Dezember 1916 eingerichtet wur-
den. Ihrer Obsorge unterstand die Verteilung der vom Lande an die
Gemeinden abgegebenen Lebensmittel an die Bevölkerung, die Erhe-
dung der Lebensmittelvorräte und die besondere Sorge für die Bedürfti-
gen in der Gemeinde. Seitens des Landes wurde eine eigene Einkaufs-
und Verkaufszentrale ins Leben gerufen, ebenso ein Ausfuhrverbot für
Lebensmittel erlassen (eine Beschlagnahme der Lebensmittelvorräte
wurde nicht vorgenommen). Separat gab es dann noch eine Viehver-
wertungsstelle, eine Obstzentrale und eine Kartoffelzentrale.
Die Lebensmittelversorgung wurde durch das Land bevor-
schusst. Die Lebensmittelschuld wurde über die Schweizerische Credit-
anstalt in Zürich bezahlt. Das Land hatte nämlich während der ersten
Kriegsjahre das mangelnde Mehl über die Schweiz vom Ausland bezo-
gen (Mangel an Getreide bestand wie in früheren Jahrhunderten: Die ge-
samten Rieder und Auen waren noch keine Getreideböden, höchstens
für den Anbau von Kartoffeln geeignet). Ende 1917 betrug die Schuld
des Landes an die Bank Fr. 437 000.-. 1920 half der Landesfürst aus die-
ser Not und gewährte dem Land ein unverzinsliches Darlehen von
Fr. 550 000.-, das er später demselben ganz schenkte. Daraus konnte die
Lebensmittelschuld bezahlt werden.
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