Armut, Kriege und Notzeiten
1600 wird wieder ein Pesteinbruch gemeldet. Ab dieser Zeit ent-
standen Kapellen zu Ehren des hl. Sebastian, der als Schutzpatron in
Pestzeiten angerufen wurde. Das sind die Kapelle auf Masescha und jene
in Nendeln. Am Sebastianstag fand von benachbarten Gemeinden her
die jährliche Bussprozession nach Masescha statt, um mit ihr Hilfe
gegen die Pest zu erflehen.
Der Hochaltar der Marienkapelle in Triesen erinnert in seinem
Altarblatte mit dem Motive von «Gottes Zorn», einem sogenannten
Pestbild, an die Seuche, die als Strafe Gottes für die Sünden der Men-
schen angesehen wurde: Christus ist im Begriffe, drei Speere gegen die
Erde zu schleudern, die Krieg, Pest und Hungersnot bedeuten Sollen. Zu
seinen Füssen kniet Maria und bittet für die Menschen um Gnade.
Wie schwer muss doch die Not auch in unserem Lande gewesen
sein! 1611 brach die Pestseuche in der schweizerischen Nachbarschaft
aufs Neue aus. Aus Eggenberger «Geschichtliches aus Grabs» ist dazu
zu entnehmen:
«Im Jahre 1611 brach eine furchtbare Pest aus, Sie zog durch ganz
Europa und legte überall einen Drittel der Menschheit ins Grab; sie ward
darum der grosse Tod genannt. Sie kam von fernen Ländern über Basel im
Jahre 1610, wobei sie 4000 Menschen tötete. Im folgenden Jahr, 1611, brei-
tete ste sıch im ganzen Lande aus. In Zürich starben 5000, im Glarnerland
2000 Personen. Weit mehr starben im Toggenburg und Appenzellerland, zu
Sarnen, in Obwalden, legte man 280 Tote in ein einziges Grab. Im Thur-
gau entvölkerte der grosse Tod ganze Dörfer, die Äcker und Wiesen lagen
öde, weil keine Hand sie mehr bebaute. Als man dort die Toten zählte,
waren es 33 584. Bis hinauf in die hohen Täler Graubündens würgte die
Hand des schwarzen Todes. Furchtbar muss auch in unsern Gozenaen der
schwarze Tod gewütet haben. Am Sevelerberg starb alles weg. Auf dem
ad in Sevelen begrub man neun Hansen ıns gleiche Grab. Die Grab-
schrift hiess: Neun Hansen in einem Grab, ist das nicht eine grosse Klag.
Eine andere Grabschrift hiess: 17 Jungfrauen in einem Grab, ist das nicht
eine grosse Klag. Von Buchs dehnte sich der schwarze Tod nach Werdenberg
und Grabs aus.»
Die grosse Pest 1629
Zwischen 1611 und 1634 erlosch die Pest in unserem Gebiet nie
völlig. Jahr für Jahr forderte sie Opfer. 1629 brach die Pest erneut in
Chur aus und griff mit unheimlicher Geschwindigkeit um sich. In Chur
selbst starben innerhalb von 14 Wochen über die Hälfte der Bevölkerung
an der Seuche.
Aus der Pfarrei Bendern, die von Patres aus St. Luzi in Chur ver-
waltet wurde, liegt ein Bericht aus dieser Zeit vor: «Zudem hat die leidige
Seuche (die Pest) 1629 seit geraumer Zeit bei uns grassiert, so dass auch ın
unserer Pfarrei bei 60 Personen weggerafft worden, darunter auch mein
bester Freund.» Wenige Tage später starb auch der Berichterstatter und
noch im gleichen Winter seın Nachfolger, alle an der Pest, Die letzte Eın-
tragung Tautet: «Die leidige Seuche hat auch in unserer Landschaft und
Pfarrei nicht nachgelassen und täglich fordert sie neue Opfer
«In Triesen sollen (1629) 70 Personen in ein Grab gelegt worden
;ein. Der Friedhof bei der Kirche in Triesen reichte nicht mehr aus, die
Toten aufzunehmen. Ein Notfriedhof wurde südlich davon über dem Dorf-
bache angelegt. In der Gemeinde Wartau starben in diesem Jahre über 700
FI