Armut, Kriege und Notzeiten
ältesten Landkarte des Fürstentums Liechtenstein, die im Jahre 1721
entstanden ist, ist an der Landstrasse zwischen Vaduz und Triesen das
Hochgericht eingezeichnet, das die Form eines sogenannten Dreigal-
zgens hatte. Flur II (Parzellen 2 und 17) auf Triesner Gebiet, nahe der
Vaduzer Grenze, trägt heute noch die Bezeichnung «Beim Galgen». Der
Platz wurde auch «beim Hochgericht» genannt. Für eine Reihe von Ver-
orechen, vor allem Mord, galt die Strafe des Erhängens.
Aus den Akten der Hexenprozesse wissen wir, dass die zum Tode
verurteilten Hexen und Hexenmeister auf dem Gerichtsplatz bei der
Linde in Vaduz dem Scharfrichter übergeben wurden. Von ihm und
einem Geistlichen begleitet, wurden die Opfer zur Richtstätte geführt.
Dort wurden sie, wie es in den Urteilen heisst, «mit dem Schwert vom
Leben zum Tode hingerichtet». Ihre Leichname wurden verbrannt und
ihre Asche wurde an Ort und Stelle vergraben, damit sie nicht mehr
Schaden stiften könnte. Etwa dreihundert unserer Vorfahren erlitten so
den Tod.
Bisher war die Stelle nicht zu lokalisieren, an denen die Hinrich
tungen vollzogen wurden. Beim Fabrikbau Lova fand sich beim Funda-
mentaushub an der Südseite, ungefähr in der Mitte der Gebäudefront,
eine Aschenschicht, die direkt auf dem Geröll des ehemaligen Rheinbet-
tes aufliegt. In der Asche lagen angekohlte Knochen, die unschwer als
menschliche zu erkennen waren. Die Schicht setzt sich ausserhalb des
Gebäudes fort, wo sie nachträglich noch ein Stück weiter verfolgt wer-
den konnte. Es war die Stelle gefunden, auf der einst die Scheiterhaufen
loderten, um die Opfer des unheilvollen Wahnes zu verbrennen. Wir
haben uns den Platz des Galgens wohl in der Nähe, wahrscheinlich
unmittelbar am jetzt noch sichtbaren alten Rheinuferbord vorzustellen.
Auf einer Kiesbank des alten Rheinlaufes, wahrscheinlich zwi-
schen Bäumen und Sträuchern des Auwaldes, lag die Stätte des Grauens.
Nichts erinnert mehr an diese Greuelstätte.
Auch eine weitere Sage hat die Angeberei zum Inhalt, und Peter
Kaiser erzählt sie deshalb, weil darin das Ende der Verfolgungen behan-
delt wird, von dem er nichts Tatsächliches zu berichten weiss, so wenig
wie Kanonikus Büchel, der in seiner «Geschichte der Pfarrei Triesen»
zwar richtig erkennt, dass die Hexenprozesse um das Jahr 1681 plötz-
lich aufgehört haben, aber auch keinen stichhaltigen Grund dafür ange-
ven kann.
Die Sage schreibt das Verdienst hiefür Pfarrer Valentin von Kriss
in Triesen zu. «Die Brenner hatten den Pfarrer von Triesen zu ihrem Opfer
auserkoren. Sie traten in sein Zimmer und er, die Absicht ihrer Ankunft
2rratend, fasste sich schnell, holte Wein aus dem Keller und forderte sie zum
Trinken auf. In den Wein aber hatte er schnell betäubendes Gewürz
gemischt. Die Brenner tranken und sanken bald in tiefen Schlaf. Der Pfar-
rer entriss ihnen jetzt das Verzeichnis der Opfer Er war der erste auf der
Liste. Sogleich liess er die Männer kommen, die auch auf der Liste standen,
machte sie mit der Gefahr bekannt und forderte sie auf, alles an Ehre und
Leben zu wagen. Sie nahmen die Brenner fest und überlieferten sie der Ob-
rigkeit. Sie erlitten die gerechte Strafe, und viele Familien, die um Ehre und
Eigentum gebracht worden, erhielten beides wieder. Den Besseren und
Verständigeren im Volke gingen die Augen auf; sie sahen zu spät, welches
entsetzliche Spiel man mit so vielen unschuldigen Leuten getrieben, und so
pers das Hexen- und Zauberwesen aus den Protokollen der
erichte »