Armut, Kriege und Notzeiten
Im JBL 1902 (S. 264) heisst es:
«Interessant ıst folgende Stelle aus dem Rathsprotokoll der Stadt
Feldkirch vom 15. Juni 1799 und Vaduz 8. Juni 1799. Fürstl. L. Oberamt
ersucht die hiesigen Fälber, Zinngiesser und Kupferschmiede einzuverneh-
men, ob ihnen keine Waren von liechtenst. Unterthanen zum Umändern
gegeben worden seien, indem während des feindlichen Einfalles denselben
von den Franzosen und Anderen (!) gestohlen worden sei. — Beschluss: Es
sei strenge Nachforschung aufzustellen. Auch wurde geklagt, dass die
Schützen alles Wild zusammen schossen zu Berg und Thal.»
Am Ende des Jahres 1799 beherrschte Österreich Deutschland bis
ın den Rhein und Italien; nur die Schweiz blieb in der Gewalt der Fran-
zosen. Inzwischen war Napoleon Bonaparte aus Agypten zurückge-
kehrt. Das Direktorium in Parıs wurde gestürzt und eine neue Verfas-
sung eingeführt. An die Spitze der Republik kamen drei Konsuln: Bona-
parte wurde erster Konsul. Seine Generale besiegten im Mai 1800 die
Iruppen des österreichischen Kaisers. Der Schwäbische Kreis musste
sechs Millionen Franken bezahlen und 10000 Paar Schuhe liefern;
davon traf es auf Liechtenstein 187 Paar Schuhe und 13 038.—Franken.
Am 11. Mai 1800 besetzten die Franzosen Bregenz, zogen jedoch
wieder ab. Auch am Oberrhein bei Balzers und Ragaz machten sie eine
rückläufige Bewegung. General Hiller rückte deshalb ins Sarganserland,
jegab sich aber, als die Franzosen wieder vordrangen, in seine alten Stel:
lungen an der Bündnergrenze zurück. Mehrmals brachen einzelne
Abteilungen kaiserlicher Truppen aus dem Liechtensteinischen über
den Rhein, besonders von der Schweizerlegion unter Bachmann. Die
Schanzen an der Luziensteig waren im Herbst 1799 durch Minen in die
Luft gesprengt worden. Am 15. Juli 1800 wurden die Österreicher wie-
derum von den siegreichen Franzosen in Italien zu einem Waffenstill
stand gezwungen, wobei den Franzosen Vorarlberg und Bünden zuge
teilt wurde.
in unseren Gegenden begannen die Franzosen noch vor
Abschluss jenes Waffenstillstandes mit Angriffen. In der Nacht vom 12.
ıuf den 13. Juli 1800 überschritten sie den Rhein bei Ragaz und Balzers.
General Jourdan leitete den Angriff; eine Kolonne rückte in Bünden ein,
wo die Kaiserlichen nur schwachen Widerstand leisteten und sich bald
ıns Engadin zurückzogen; mit der anderen Kolonne zog er nach Vaduz
und Nendeln. Die Kaiserlichen räumten das Liechtensteinische und
wichen unter beständigen Gefechten hinter die Verschanzungen bei
Fisis zurück. Ein Sturm auf die Schanzen wurde abgeschlagen. Gleich-
zeitig rückten die Franzosen unter General Molitor von Bregenz her
gegen Feldkirch. Während die Österreicher voll Mut und Zuversicht auf
zinen erneuten Kampf gefasst waren, kam an ihren Anführer Jellachich
der Befehl, mit seiner Mannschaft sofort Feldkirch zu verlassen und sich
nach Tirol zu begeben. Nun fiel die Stadt ohne Schwertstreich in die
Hände der Franzosen, die schon im Begriffe gewesen waren abzuziehen.
Sie rückten in Feldkirch ein. Tapfer hatten sich die Vorarlberger geschla-
en und grosse Opfer gebracht. .
| Am 9, Februar 1801 kam endlich ein Friede zwischen Frankreich
ınd Österreich (und dem Deutschen Reich) zustande. Liechtenstein
wurde seit 1800 nie mehr von fremden Truppen bedrängt oder besetzt
und war auch nie mehr Kriegsschauplatz. .
Wieviel Jammer und Schrecken hatte dieser Krieg unseren Vor-
eltern gebracht! Die Wohnungen waren ausgeplündert, die Vorräte zum
(4