Armut, Kriege und Notzeiten
Das bündnerische Rheintal hielten die Österreicher unter General
Auffenberg besetzt. Eine Kompanie befand sich zu Disentis zur Unter-
stützung der franzosenfeindlichen Landleute des oberen Bundes, um
den von Uri einbrechenden Feind abzuhalten. Ein Regiment war zwi-
schen Reichenau und Maienfeld verteilt; ein Bataillon hielt Fläsch und
Luziensteig besetzt; ein Bataillon Gradiskaner stand in Balzers, teils um
die Verbindung mit Graubünden zu unterhalten, teils um nötigenfalls
die Besatzung der Luziensteig zu verstärken; ein Bataillon De Vins war
zwischen Balzers und Feldkirch aufgestellt. Oberkommandant der
Österreicher war Feldmarschall-Lieutenant Hotze, dessen Armee von
Bregenz bis Disentis verteilt war und aus 24 600 Mann Infanterie und
1400 Mann Kavallerie bestand.
General Massena, Befehlshaber einer französischen Armee von
38 000 Mann langte nach Unterwerfung der Schweiz in der Nacht vom
5. auf den 6. März 1799 bei Trübbach an. Massena trachtete mittels eines
Rheinüberganges sich der Luziensteig zu bemächtigen, um so den
Österreichern den Rückzug aus Bünden abzuschneiden. Es sollte daher
der Rhein gleichzeitig überschritten werden, bei Bendern durch General
Oudinot, um gegen Feldkirch vorzurücken, bei Trübbach, um die
Luziensteig im Rücken zu nehmen. Vor 7 Uhr früh begannen die
Angriffe. Bei Fläsch wurden die übersetzenden Franzosen von den
ÖOsterreichern und einer Bündner Kompagnie (unter dem Hauptmann
von Gugelberg) blutig empfangen und zersprengt.
Den Übergang bei Trübbach wollte Massena mittelst Durch-
waten des Stromes ausführen; da aber während der Nacht infolge einge-
tretenen Tauwetters das Wasser gestiegen war, musste eine Blockbrücke
erstellt werden. Um 3 Uhr nachmittags standen die französischen
Kolonnen, die keinen Widerstand gefunden, auf der Luziensteig, deren
Besatzung aus zwei Bataillonen mit vier Kanonen unter dem greisen
Kommandanten Hasslinger bestand. .
Von den Franzosen erstiegen zwei Kompanien Grenadiere die
Guschneralp und ein Bataillon den Fläscherberg. Frisch gefallener
Schnee setzte ihnen grosse Hindernisse entgegen. Unterdessen ward
auch gegen die Front der Festung ein Bataillon herangeführt, und es
erfolgten nacheinander vier Angriffe, welche jedesmal abgeschlagen
wurden. Aber um 7 Uhr abends, als es schon finster war, erstürmten die
Franzosen auf der Guschner Seite die Schanzen und nahmen sie ein. Die
Besatzung wurde zersprengt, das Geschütz erobert. Der tapfere Kom-
mandant wollte sich nicht ergeben, und schwer verwundet fiel er ın
Feindeshand, um wenige Tage später den Heldentod zu sterben. Von der
Mannschaft entkam ein Teil nach Maienfeld, die übrigen wurden gefan-
gen. Mit der Luziensteig war der Schlüssel zu Graubünden den Feinden
ın die Hände gefallen. Die dort stehenden Österreicher mussten sich
ergeben. . . ;
General Hotze war an demselben Tage frühe eben im Begriffe, mit
zwei Bataillonen von Feldkirch weg zum Schutze der Luziensteig abzu-
marschieren, als er durch die bei Bendern übersetzten „feindlichen
Kolonnen unter Oudinot sich gezwungen sah, zur Verteidigung der
Stadt zurückzukehren. Am frühesten Morgen des folgenden Tages
/7. März) begann er mit 2500 Mann abermals seine Bewegung zur Ret-
tung der Luziensteig, deren Fall er noch nicht wusste, während andere
Truppen mit Vorarlberger Schützen über Schellenberg, Ruggell und
Mauren gegen Bendern, wo Oudinot sein Hauptquartier hatte, vordran-