Armut, Kriege und Notzeiten
bis endlich ein zufälliger Weise in das Land gekommenener evangelischer
Medicus namens Dr. Gmelin denen armen Leuten nicht nur gratis bei-
sprang, sondern wohl gar noch der Armut verschiedener Kranken aus set
nem eigenen Beutel unter die Arme griff.»
Not und Elend brachten die Kriegsereignisse der Jahre 1794-
1815. Der Sachschaden durch Kriegserlittenheiten von 1794 bis 1802
belief sich auf 1 Million Gulden. Bei der Anlage des Grundbuches wur-
den 1812 allein zulasten privater Schuldner 900 000 Gulden Schulden als
Hypotheken eingetragen! Man bedenke, dass die Fürsten von Liechten-
stein rund hundert Jahre früher für das ganze Land nur 405 000 Gulden
Kaufpreis bezahlt hatten. Es folgten Jahre, in denen beim Untertan keine
Steuern und andere Abgaben hereingebracht werden konnten; es war
ausser Not und Hunger nichts vorhanden. Manche wanderten aus oder
nahmen Söldnerdienste oder Saisonstellen im Ausland an.
Im JBL 1969 (S. 43) schreibt R. Quaderer zur Armut des Landes:
«Am 9. Januar 1817 richteten die Untertanen an den Fürsten ein
Bittgesuch, in dem zuerst die Notlage des Volkes geschildert wurde: Es
herrsche Mangel an Lebensmitteln, um das Bischen Leben mühsam Fristen
zu können, und grosse Geldlosigkeit bei unerschwinglichen Preisen der
Früchte. In der Begründung des Bittgesuches zeigte sich schreckliche Armut
und die hilflose Notlage, in der sich die Leute im Lande befanden: 1/3 der
Unterthanen weiss nıcht, wie und woher er sich ernähren soll. Bis neue
Früchte kommen dauert es noch sechs Monate. Schauer überfällt so man-
chen Familienvater bei diesem Gedanken. Die Untertanen richteten des-
halb an den Fürsten die zwei Bitten, dass
1. die Aufkündigung der Kapitalschulden bis auf bessere Zeiten ein-
gestellt werde, damit die Familien zu ihrem Hunger nicht noch grund- und
heimtatlos werden;
2. die Renten mit Nachsicht und nicht im strengen Wege der Exeku-
tion eingefordert werden.
Schuppler selbst bestätigte und bekräftigte in einem Begleitschreiben
zu dem Bittgesuch die Schilderung der Not: Viele Familenhäupter ringen
samt ihren Angehörigen mit dem grässlichen Hungertode... und viele
nehmen zu dem Genusse des Pferdefleisches und der wenigen Weintrau-
bentrester, die sie mit Kleie vermischt verbaken und als Brod geniessen, ihre
Zuflucht, um nicht gerade verhungern zu müssen.»
Aus diesem Grunde unterstützte Schuppler die erste Bitte und
fügte hinzu, dass es für einen Landmann unmöglich sei, in dem gegen-
wärtigen Elend Kapitalschulen abzuzahlen.
Die Gemeinde Triesen verkaufte Holz und bezahlte daraus der
Bevölkerung Kartoffeln aus Vorarlberg und Brotgetreide aus Italien. Im
JBL 1907 wird eine Urkunde von ca. 1820 wiedergegeben (Bericht eines
Beamten aus Vorarlberg nach Wien über die Zustände in Liechtenstein).
Es heisst unter anderem darin: «Das Land ist unbegreiflich arm und äus-
serst verschuldet, weil es unverhältnismässig viel einst zum rheinischen
Bunde und jetzt zum deutschen Staatskörper eitragen muss. Dann hat das
arme land seit 7 Jahren elende, magere Jahre erlebt. Wein und Türken, die
Hauptprodukte sind beinahe ganz gefehlt, die letztjährige Rheinüber-
schwemmung hat schrecklichen Schaden verursacht. Das Rheinbett liegt
viele Fuss höher als der Boden. Es ist viel zu breit, kann also sein Geschiebe
nicht fortbringen. Der Charakter des Volkes ist arbeitsam, geduldig, aus-
harrend, gutmütig, gar nicht streitsüchtig. Prozesse sind wenige. Konkurs
exekutionen hingegen beinahe täglich.»
zZ