Bilder aus Kultur, Leben im Dorf und Volkswirtschaft
Der ganze Streit um das Dominikalgut drehte sich wirklich nur
um «Kaisers Bart», das ist um einige Strecken Landes, das mit Stauden
und Stöcken überwachsen oder durch Anlegen von Wuhren dem Rhein
entrissen und urbar gemacht worden war.
1732 kam wieder eine Kommission aus Wien hierher. Die neue
Verwaltungsordnung in Land und Gemeinden beunruhigte die Gemü-
‚er. Das Volk hatte wieder einen Vertreter zum Fürsten nach Wien
gesandt. «Angesehene und vermögliche Männer verliessen das Land, um
sich eine neue glücklichere Heimat zu erwerben. Kredit und Wohlstand
nahmen ab. Die unaufhörlichen Truppendurchmärsche wurden eine wahre
Landplage.» (KB S. 525) Es kam dann 1733 auf dem Verhandlungswege
zu einer wenigstens teilweisen Wiederherstellung der alten Landam-
mannverfassung und die Gemeinden beruhigten sich. N
Es rechtfertigt sich, die Mitarbeit der Gemeinde beim Übergang
in die neue Zeit und die damit verbundenen aussergewöhnlich harten
Anforderungen an die Dorfbewohner etwas breiter zu schildern. Harte
Stürme brausten ın dieser Zeit über unser Land, rüttelten an Recht und
althergebrachten Lebensgewohnheiten, Ja am Fortbestand unseres Lan-
des.
Neue Not für die Gemeinden und ihre Bevölkerung erstand dann
in der Zeit um 1800 (Franzosenzeit). (Die Zustände in der Gemeinde
Triesen in dieser neueren Zeit sind aber bereits in anderen Abschnitten
1achgezeichnet.)
Von diesen schweren Belastungen erholte sich unsere Bevölke-
‚ung langsam, und die Wunden vernarbten erst ab Mitte des 19. Jahr-
ıunderts.
Kulturell muss das 17. Jahrhundert aus den angeführten Gründen
Stillstand und Rückschritt bedeuten. Im furchtbaren 30jährigen Kriege
(1618-1648) verarmte ganz Mitteleuropa. Landschaften verödeten.
Dazu kamen während der letzten drei Jahrzehnte dieses Jahrhunderts
Missernten und bei uns bis 1681 die grausame Qual der Hexenprozesse.
Die Versorgungslage begann sıch erst zu bessern, als um 1700 der
erste Türken (Maıs) von Italien herkommend bei uns gepflanzt wurde
und nachfolgend mit-dem Anbau der Kartoffel in den Rheinauen des
Tales ein Volksnahrungsmittel gefunden wurde, das auch der ärmeren
Bevölkerung Chancen des Überlebens brachte. Die wieder zunehmende
Bevölkerung zwang die Kleinbauern, sich nach und nach dem Hand-
werk zuzuwenden. Maurer, Zimmerleute, Schreiner etc. fanden dann
als Saisonarbeiter bis weit nach Deutschland hinaus Arbeit. Denn dort
vestand im 17. bis 19. Jahrhundert Mangel an Arbeitskräften. Vereinzel-
te wanderten aus Armut von hier ganz aus. Kinder, Frauen und ältere
Leute zogen gruppenweise jedes Jahr nach Süddeutschland als Dienst-
boten und zum Spinnen. Verhinderten Kriege oder Seuchen diese Sal-
sonwanderung, mangelte die hiesige Bevölkerung dieses Einkommen
sehr. Die Folge davon war in den armen Familien Hunger zur Winters-
zeit. Um einen Anteil an der Allmeind zur Nutzung als Ackerland
wurde regelrecht gerungen. So war es bis Ende des 19. Jahrhunderts,
wenn auch immer mehr sich mit dem Aufkommen der Industrie und der
Saisonwanderung nach der Schweiz verringernd. Notzeiten ähnlicher
Art erlebten wir nochmals am Ende des 1. Weltkrieges (Entwertung der
Krone, Verlust des Sparvermögens, keine Saisonwanderung) und wie-
derum in’ den Jahren 1929-1935 infolge der allgemeinen damals in
Europa herrschenden wirtschaftlichen Rezession. Auch hier mussten
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