Kirche und kirchliche Verhältnisse, Pfarrer und Kirchenbauten
ß. Die Kunst
Die Muttergotteskapelle oder schlicht und einfach «s’Kappeli» ist
seit ca. zehn Jahren die eigentliche Frühmesskirche und daneben auch
Raum für Kirchenmusikveranstaltungen etc. geworden. Das Gottes-
haus erfreut den Triesner nicht nur als ein einmaliges kirchliches Bau-
werk, wie es kein anderes im Lande gibt, sondern er schätzt sie ihres
kunsthistorischen Wertes wegen ebenso. Denn hier sind aus der Bauzeit
der Kapelle 1653/54 drei Altäre des gleichen Künstlers erhalten, dessen
Signatur auf dem Hochaltar mit «G. W. Gresner fecit 1654» noch erhalten
ist. O. Seger würdigt die Arbeit dieses Altarbildners in JBL 60 treffend,
ı1achdem er vorgehend darauf hinweist, dass uns sonst von keinem alten
Altarbild in unserem Land der Meister bekannt ist, der es geschaffen
aabe.
«Alle drei Altäre stammen aus der Zeit des Kapellenbaues. Bei zweı
von ihnen steht die Jahreszahl 1654 fest, beim dritten lassen die Überein-
stimmungen beim Aufbau keinen Zweifel an gleichzeitiger Entstehung auf-
kommen. Wir haben ’in der Kapelle Unserer Lieben Frau das seltene Glück
der Übereinstimmung der Altarwerke in der Zeit der Entstehung, im Stile
und in ihren Bezügen auf die Glaubensform ihrer Zeit.
Der Gottesmutter Maria ist die Kapelle geweiht, und auf jedem der
drei Altäre sehen wir ihr Bild: Als Tunefrau in der Geborgenheit bei der
Mutter, im Augenblick der Verkündigung, als Madonna des Rosenkranzes
mit dem Kinde, ihre Lebensstationen bis zur Krönung in den Medaillons,
und auf dem Hauptaltare ist sie Fürbitterin im Himmel. Die schlichte
Kapelle im Dorf liess unsere Vorfahren die Blicke erheben zu den Heiligen
des einfachen Volkes, den Fürbitten der Armen St. Franziskus, der Gründer
des Kapuzinerordens (der gerade im 17. Jahrhundert seine Verbreitung
über Italien hinaus gefunden und sich durch aufopfernde Tätigkeit in den
Pestzeiten und tiefe Anteilnahme an allen Nöten des Volkes die Liebe der
Gläubigen erworben hatte), ist seit dem Mittelalter nie aus der Verehrung
des Volkes entschwunden. St. Antonius von Padua ist auch heute einer der
Lieblingsheiligen, und in der Zeit der grossen Krankheitsnöte war er es in
besonderem Masse. Die beiden grossen Heiligen des Dominikanerordens
haben tiefe Wirkung in den Zeiten der Glaubenszweifel geübt, und sie
gehören in der Kunst immer zur Verehrung des Rosenkranzes, der als ihr
Werk und ıhr Gebet angesehen wird.
So sahen Maria und die Heiligen des einfachen Volkes auf den Bil
dem in der neuen Kapelle in der Zeit furchtbarster Not auf unsere Vorfah-
ven, die allein durch den Glauben aufgerichtet wurden in ihrem schweren
Leben
Möge diese kurze Arbeit dazu beitragen, die unscheinbare Kapelle
mit ihren Altären mehr zu schätzen als bisher.»
O. Seger verbindet das Entstehen der drei Altäre mit dem Geiste
jener Zeit, in dem er hierzu schreibt:
«Das Bild ist ein Symbol für die Zeit, in der es entstand: Es war die
furchtbarste in unserer Geschichte. Die Pest wütete allenthalben in Europa
und auch bei uns, der fürchterliche Dreissigjährige Krieg kam in letzter
Phase auch in unsere Gegend und forderte schwere Opfer, und Hunger war
immer der Begleiter von Krieg und Seuchen. Dazu kam der Hexenwahn,
der nirgends so entsetzliche Formen annahm wie in unserem Lande...
Die Widmungsinschrift auf der Predella des Altars nennt den Grafen
Franz Wilhelm von Hohenems und seine Gattin als Stifter des Altares. Wie
etwas Unheimliches berührt es uns, dass der Landesherr, unter dem die erste
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