Grundverkehrsrecht
Begründet wird dieses aussergewöhnliche Zugrecht ım fürstli-
chen Erlass mit: «Wir haben sehr missfällig vernehmen müssen, dass in
Balzers sich öfters üble Wirthe erfinden lassen, die die ihnen zugehörigen
Acker, Wiesen, Weingärten und sonstige Gründe entweder durch hohe
Verpfändung oder nachteilige Vertauschung oder durch Verkäufe in die
Hände der Nachbarn übergeben und einantworten, dass also durch derlei
Unternehmen ihre Nachkommen fort und fort am Grundbesitz verkürzt,
und wenn sie denselben wieder an sich bringen wollen, durch übermässigen
Kaufschilling in Schaden versetzt werden. Zur Erhaltung der Untertanen
werde daher obige Verfügung erlassen.»
Das Zugrecht an Fahrnissen wurde 1771 aufgehoben. Als Fahrnis
galten z.B. auch hölzerne Häuser ohne zugehörige Hausbündt. Bauern-
häuser und Ställe waren meistens aus Holz gebaut. Sie waren schlechter
daran als die Steinhäuser der Herren, die vor den Gläubigern besser
geschützt waren!
In Jos. Büchel «Bad Vogelsang» (1942) heisst es: «Am 25. Juni
1772 kauften Florian und Josef Kindle das Bad von Ulrich Banzer um 235
fl. Doch machte Josef Sprenger (Schwager des Verkäufers Ulrich Banzer)
das nach dem Landsbrauch Verwandten zustehende Zugrecht geltend. Die
beiden Kindle machten jedoch geltend, Sprenger habe erstam 11. Tage, also
2inen Tag zu spät, durch den Geschworenen absagen lassen, was sie aber
nicht mehr angenommen hätten. Sie unterbreiteten den Streit dem Ober-
amt, weil es sich hier doch hauptsächlich um die Bad-Gerechtigkeit handle,
welche als immobil zu betrachten sei. Das Oberamt in Vaduz entschied
zugunsten des Josef Sprenger und die beiden Kindle mussten vom Kaufe
weichen. Sprenger erhielt vom Fürsten die Lehensurkunde erneuert. Er
bezahlte den Lehenszins bis 1778.»
Wie aus einem Streite mit dem Abt von St. Luzi in Chur aus dem
Jahre 1788 hervorgeht, konnte jeder Privatmann beim Kaufe eines
Grundstückes durch ein Kloster aufgrund des fürstl. Erlasses vom
26. Mai 1719 noch nach Jahrzehnten das Zugrecht geltend machen. Er
wurde von der Behörde geschützt. Damit waren Klöster und Geistliche
sowie ausländische Kapitralgeber in ihren Rechten beschränkt. Sicherlich
war dies mit ein Grund, dass es nicht sehr interessant war, Lehen oder
Kapitalhingaben zu verkaufen, aufzulassen oder sonstwie abzutreten.
Die Kreditwürdigkeit musste darunter allerdings leiden. Wo das
Zugrecht galt, bestand nach dem Landsbrauch bis 1. 1. 1809 eine Verjäh-
rungsfrist von 15 Jahren für Grundstücke und 10 Jahre für Fahrschaften.
Wer etwas so lange unangefochten besass, dem konnte es nicht mehr
weggenommen werden, ausser mit Ausnahmemassnahmen, wie wir sie
1719 mit dem Verbot des Kaufes durch Geistliche und Klöster und 1755
mit dem Zugrecht gegenüber Graubündner Besitz in Balzers kennen
lernten.
„Die Verjährungsfristen nach dem 1812 bei uns eingeführtem All-
gemeinen Österreichischen bürgerlichen Gesetzbuch betragen drei bis
dreissig Jahre (seit 1976 fünf bis dreissig Jahre). Das Zugrecht ist dem
neuen Rechte unbekannt.
Grundverkehr in neuerer Zeit
Ein volles Jahrhundert kaufte und verkaufte man ohne Grundver-
gehrsbeschränkungen. Durch die Kronenentwertung im Gefolge des
1. Weltkrieges (1914-1918) verlor die Bevölkerung ihre Spargelder, die
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