Lehen und Grossgrundbestiz
zuwider sei. Beide Parteien sowie die Verwandten des Pfarrers Poss appe-
lierten an den päpstlichen Nuntius zu Luzern, der auf den 6. Mai 1620 eine
Verhandlung nach Hohenems anberaumte, wobei der Stadtpfarrer Dr. L.
Butzelin von Feldkirch und H. Furtenbach, Probst zu Augsburg, das Ordi-
nariat, Dr. Chr. Schalk, gräflicher Rat und Landvogt und Hans E.
Rignoldt von Prosswalden den Grafen vertraten. Das Ergebnis war: der
Graf verzichtete für immer und ewig auf seine Ansprüche bezüglich der
Hinterlassenschaft der Pfarrherren von Triesen, aber «freiwillig und nur aus
batholischem Eifer und gebürlichem Respekt gegen die katholische
Kirche»; dagegen sollen «alle folgenden Pfarrherren von Triesen schuldig
;ein, Jährlich und zu ewigen Zeiten in der Pfarrkirche einen ewigen Jahrtag
mit gesungenem Seelamt und 3 hl. Messen für das Heil und die Wohlfahrt
der abgeleibten Seelen aus dem gräflichen Hause Ems auf des Pfarrers
Unkosten zu halten. Die Hinterlassenschaft des Pfarrers Poss wurde folgen-
dermassen verteilt: Die Pfarrpfründe Triesen erhielt 250 fl die Pfarrkirche
250 fl die Florinskapelle zu Vaduz 300 fl die Verwandten, die auch die
Kosten des Prozesses tragen mussten, erhielten den Rest. Laut Gesetz hätten
se allerdings gar nichts beanspruchen dürfen.»
Das Reichslehen
Das Deutsche Reich, zu dem unser Land bis 1806 gehörte, war
durch das ganze Mittelalter ein Lehenstaat (Feudalstaat).
Ursprünglich waren die Reichslehen persönlicher Art. Starb der
Lehenträger, ging das Lehen an den Herrscher zurück und er konnte
damit wieder einen andern Gefolgsmann ausstatten. Bald aber wurden
diese Lehen als erblich betrachtet, ebenso weiter vergebene niedere
Lehen. Es bildete sich ein Lehenrecht (Gewohnheitsrecht) sowohl für
die Vergabe von Reichslehen wie die Weitergabe der niederen Lehen
3eraus (siehe Lehenrecht S. 468).
Das Reiehslehen beschränkte sich nicht nur auf das verliehene
Land und die Heeresfolgepflichten, sondern begründete damit verbun-
den gewichtige politische Rechte, auf die der Herrscher für das Gebiet
des Reichslehens verzichtete und sie auszuüben dem Lehenträger über-
:;rug. Daraus bildeten sich die Hoheitsrechte des Reichslehensinhabers
ıls Landesherr. Zu diesen Rechten zählten insbesondere Einrichten der
Verwaltung und Gerichtsbarkeit, Heeresdienstverpflichtungen, das
Recht Steuern, Zölle und Wegmauten zu erheben, kurzum, mit der Zeit
ain eigenes Landesrecht zu setzen, aus dem neben alter anderweitiger
Übung heraus seit dem 15. Jahrhundert der sogenannte Landsbrauch
entstand. Selbst das Einziehen des uralt bestandenen Zehent, soweit er
von der Kirche weg in andere Hände abgeglitten war, konnte und wurde
als Lehen vergeben (Zehent erheben wurde ein Geschäft!).
Die erste uns noch bekannte und zugleich die wichtigste Urkunde
über das Entstehen unseres Gebietes als abgerundetes Reichslehen ist
jene vom 22. Juli 1396 durch König Wenzel an die Grafen Hartmann
und Heinrich von Vaduz «nach der Ordnung des römischen Reiches» in
Prag ausgestellte Verbriefung der sog. Reichsunmittelbarkeit, die von
mac folgenden Herrschern über Ansuchen der jeweiligen Landesherren
1402, 1439, 1492 und 1507 bestätigt und von Kaiser Karl VI. bei Erhe-
bung der beiden Landschaften Vaduz und Schellenberg am 23. Januar
1719 zum reichsunmittelbaren Fürstentum Liechtenstein neu bestätigt
und gefestigt wurde.