Wirtschaftliche Entwicklung des Dorfes
Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es vor, dass
schulpflichtige Kinder aus Liechtenstein in vorarlbergischen Textilfabri-
ken zur Arbeit gingen. Gegen spärlichen Lohn verrichteten diese Kinder
Arbeiten, die ihnen physisch und psychisch schadeten und sie um ihre
Kindheit brachten. Vor allem wirtschaftliche Not hatte die Eltern ver
anlasst, ihre Kinder auch während der Schulzeit zur Arbeit zu schicken.
Damit waren diese Kinder der einzigen gesetzlich vorgeschriebenen
Schonzeit beraubt. Denn allein die zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein-
geführte allgemeine Schulpflicht konnte die Kinderarbeit wenigstens
während der Zeit des Unterrichts verhindern. Manchmal schritten die
Behörden bei Verstössen gegen das Schulgesetz ein, oft aber duldeten sie
Kinderarbeit auch während der Schulzeit. Bittere Not im Elternhaus der
Kinder veranlasste das Oberamt zu dieser Haltung.
Nachdem durch die Gewerbeordnung vom 16. Oktober 1865 die
Beschäftigung von elementarschulpflichtigen Kindern in den Fabriken
verboten worden war, hätte die Kinderarbeit eigentlich nicht mehr vor-
kommen dürfen. Jedoch schon die Gewerbeordnung sah Ausnahmen
vom Kinderarbeitsverbot vor, und die wirtschaftliche Not so mancher
Familie trieb weiterhin zu Missachtung des Kinderarbeitsverbotes. Bis
zum 1. Weltkrieg bestand ein Teil der Belegschaft der liechtensteini-
schen Fabriken immer aus Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren.
Unter den 21 Arbeitern der ersten Textilfabrik des Landes waren 1861
ein 13 jähriges und zwei 15 jährige Mädchen. Von den 69 Arbeitern der
Spinnerei in Vaduz waren 1883 12 weniger als 16 Jahre alt.
Noch 1909 zählten von den insgesamt 648 Industriearbeitern des
Landes 43 weniger als 16 Jahre. Alle diese Kinder arbeiteten mit einer
Sonderbewilligung der Regierung. Fabriken, die ohne behördliche
Bewilligung schulpflichtige Kinder beschäftigten, wurden streng
gebüsst. Das Ausmass der Kinderarbeit stand so zwar unter staatlicher
Kontrolle, die Kinderarbeit selbst wurde aber nie vollständig beseitigt.
Kinderarbeit
Arbeitszeit
Anfänglich gab es keine Vorschriften über die Arbeitszeit in den
Fabriken. Die einzelnen Unternehmen legten die Arbeitszeit selbst fest.
Gearbeitet wurde allgemein an allen Tagen ausser Sonn- und Feiertagen.
Für die Arbeiter der Triesner Weberei galt der 13-Stundentag. Im Som-
mer wurde von 5 Uhr bis 12.30 Uhr und von 13 Uhr bis 19.30 Uhr gear-
beitet. Im Winter begann die Arbeit erst um 6 Uhr und hörte um 20 Uhr
zuf. Die Normalarbeitszeiten in den Fabriken wurden aber oft beliebig
arweitert, und Nachtarbeit je nach Bedarf angeordnet, was sich vor
ıllem auf die jüngeren Fabriksarbeiterinnen gesundheitlich schädlich
auswirkte.
Mit Dekret vom 21. April 1870 beschränkte die Regierung die
Arbeitszeit auf 12 Stunden im Tag. Vorübergehende Arbeitsverlänge-
sungen wurden für bewilligungspflichtig erklärt. Bei Verstössen gegen
diese Vorschriften waren Bussen von 50-100 fl zu gewärtigen. Wenn
triftige Gründe vorlagen, erlaubte die Regierung den Fabriken, länger
arbeiten zu lassen. Gegen unerlaubte Arbeitsüberschreitungen gingen
die Behörden aber energisch vor.
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