Wirtschaftliche Entwicklung des Dorfes
Schupplers Landesbeschreibung ist entstanden zur Zeit eines äus-
serst tiefgreifenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Wandels. Damals vollzog sich eine Wende in der Geschichte Liechten-
steins, an der der Verfasser der Beschreibung wesentlich mitbeteiligt
war. Die Verfassungs- und Verwaltungsstruktur wurde von oben her
umgebaut, grundlegende Reformen waren eingeleitet worden. Die
Bodenreform zielte auf eine völlige Aufteilung des Gemeindebesitzes ins
Privateigentum und damit auf eine Zerschlagung einer uralten genos-
senschaftlichen Wirtschaftsweise. Die Einführung des Grundbuches
brachte eine Sicherung des Besitzes und eine Verbesserung des Kredit-
wesens. Das Schul- und Gesundheitswesen waren staatliche Aufgabe
geworden. Selbst die Kirche musste sich Eingriffe seitens der weltlichen
Obrigkeit gefallen lassen. Der moderne Einheitsstaat war im Entstehen.
Bei aller Betonung des radikalen Umbruchs und neuen Geistes
darf die Kontinuität im Geschichtsverlauf, das Gewicht der Tradition
nicht übersehen werden. Das herrschaftliche Prinzip der Feudalord-
nung war unangetastet bestehen geblieben. Nach wie vor hatten die Un-
:ertanen Abgaben und Fronen zu leisten, deren rechtlicher Ursprung
ihnen, ja sogar dem Oberamt oft nicht mehr bekannt war. Die ursprüng-
‘ich personalen Bindungen im Feudalwesen waren längst verschwun-
den, nur noch die Fakten - der Einzug der Abgaben und die Leistung der
Fronen - zählten. Die neuen Abgaben lösten die alten nicht ab, sondern
belasteten das Volk zusätzlich. Hier hielt die sonst überaus reformfreu-
dige Obrigkeit nicht zuletzt aus finanziellen Gründen stur an der alten
Ordnung fest. Auch in der Agrarverfassung blieb manches Alte erhal-
ten. So kam es in der Bauernschaft nie zu einer totalen Umstellung auf
rein privates Wirtschaften. Alte genossenschaftliche Betriebsweisen
blieben trotz obrigkeitlichen Druckes erhalten.
Landschreiber Josef Fritz beschrieb die Verhältnisse in Triesen
1784:
Triesen zählt 103 Häuser und 426 Untertanen ohne die Hintersas-
sen. Zuoberst im Dorf steht die Pfarrkirche, zuunterst eine grosse Kapelle.
Ausserdem hat es noch zwei andere Kapellen. Der Pfarrer wird vom Lan-
desfürsten eingesetzt. In der Gemeinde gıbt es ziemlich viel Weinbau und
Obstbau, sehr guten Getreideboden und gute Viehzucht, Die Landesherr-
schaft besitzt hier Weingärten, die um den halben Ertrag verpachtet sind,
und einen Meierhof, der verliehen ist. Die Gemeinde besitzt Alpen im
Überfluss, dazu viele Waldungen und schöne Gemeindegüter. Weiter gibt
es einen Wirt, eine Säge und Mühle und das Bad Vogelsang, dessen Wasser
gesund ist, Die Gemeinde ist zwei Plagen ausgesetzt: Den Rüfen und dem
Rhein. Die Leute treiben kein Gewerbe, sondern ernähren sich vom Acker-
bau und der Viehzucht.
Das Gewerbe um 1800 (Schuppler 1815)
«Manufacturen oder auf auswärtigen Absatz berechnete Gewerbe
giebt es im Lande gar keine. Der Handwerksmann ist nur auf den Ver-
dienst, den er sich ım Lande erwirkt, beschränkt, und weil dieser äusserst
unbedeutend ist, so kann sich auch der Gewerbsmann blos mit seinem
Handwerke nicht durchbringen, muss sich mehr auf den Feldbau verlegen,
und sieht jenes als eine Nebensache an.
Darinn liegt der Grund, dass die hierländigen Professionisten nur bei
den oberflächigen nothwendigsten Kenntnissen stehen bleiben, und sich
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