Vom Hof zum Dorf
en 1254 aus, das Herzogtum zerfiel und die herzogliche Gewalt ging,
das Land zerstückelnd, an die Grafen über, hier in unserer Gegend an die
alten Grafen von Bregenz. Die zentrale Gewalt war zerfallen. Erben der-
selben waren nun die Grafen, sie verwalteten ihr Gebiet, setzten dort
Recht, fast wie wenn sie selber Kaiser oder König wären. Diese verliehe-
a1en oder wohl auch sich selbst zugeeigneten Machtbefugnisse liessen sie
sıch sorgfältig vom Kaiser oder König bestätigen. Sie waren unter dem
Begriff der Reichsunmittelbarkeit zusammen gefasst. Die Grafschaft
wurde ein nur noch direkt und allein dem Kaiser unterstelltes Reichsle-
aen. Die kaiserlichen oder königlichen Bestätigungen für dieses reichs-
ınmittelbare (Reichs)Lehen begannen mit König Wenzel am 22. Juli
1396 an Graf Heinrich II. von Werdenberg-Vaduz. Ihr folgten solche fast
bei jedem kaiserlichen Thronwechsel an die verschiedenen Grafen
(1402, 1430, 1439, 1454, 1492, 1507 und als letzte wohl die Erhebung
Liechtnsteins zu einem unmittelbaren Reichsfüstentum durch Kaiser
Karl VI. (1711-1740) am 23. Jänner 1719, insgesamt 14 mal. Die sich aus
der Reichsunmittelbarkeit sich für den Grafen (Fürsten) ergebenden
‚andesherrlichen Rechte sind bei uns als sog. brandisische Freiheiten ın
die Geschichte eingegangen. «Die Brandisischen Freiheiten sind Rechte
der Eigentümer der beiden Landschaften, nicht des Volkes. Sie waren
Seichalchen, da sie ursprünglich dem König als Reichsoberhaupte zustan-
den und dann als Privilegien an die Landesherren übergingen und mit dem
Verfall der zentralen Reichsgewalt immer grösseren Umfang annahmen.
Die Untertanen waren lediglich an der inländischen Gerichtsbarkeit inter-
esstert... Aus den Brandıisischen Freiheiten geht hervor, dass alle wirt-
schaftlichen Machtquellen der beiden Landschaften im Eigentum der Lan-
desherren standen und dass sie ihr Eigentum in Form von Lehen an die Un-
'ertanen weiter gaben.» (JBL 43).
Im besonderen zählten zu diesen dem Landesherrn im Laufe der
Jahrhunderte zu eigen gewordenen (verliehenen und angemassten)
Rechten («Brandisischen Freiheitsrechten»), die er
a) selber ausüben konnte (z.B. Patronatsrechte, Jagd, Bewirt-
schaftung von Eigengütern wie Meierhof, Schlossgüter, Waldungen,
Frondienste oder Zehent, Zoll, Maut) oder die er
b)als Lehen —- Pacht nach bestimmten sich herausgebildeten
Lehenrechtsnormen wie Erblehen, Schupflehen - gegen Zinszahlung
weiter vergab (z.B. Mühlen, Sägen, Tafernen, (Wirtschaften), Gewerb-
liche Betriebe (z.B. Bad Vogelsang in Triesen), Bergwerke, Geleitsrecht
für Kaufleute und Wanderer, oder
:)sogar an das Volk mit der Einrichtung der Landammänner-
Regierung die bürgerliche und peinliche Gerichtsbarkeit, das Steuerer-
heben, den Heerbann, das Notariatsgeschäft (Urkunden zu siegeln), das
£xekutionswesen, Vormundschaftswesen, den Strassen- und Wegbau,
die Verwaltung der Dörfer (Gemeinden), die Armenfürsorge, die
Bekämpfung der Landsnöte (Rhein und Rüfe) etc. überliess.
Der Ertrag dieser Rechte wurde jeweils bei Verkaufsverhandlun-
zen unserer Landschaften in Geld geschätzt und war für den Kaufpreis
sestimmend und entscheidend. Alle diese Rechte gingen im 19. Jahrhun-
dert entweder unter oder wurden durch die Fürsten Alois II. (1836-
1858) und Johann II. (1858-1929) dem Lande als Einkünfte überlassen
oder ganz beseitigt (wie z.B. der Zehent) oder an deren Stelle neue staat-
liche gesetzt (z.B. Gerichtswesen, Verwaltung).