Anhang
dergeworfen, ihm ein Pferd und «etlich gelt» abge-
nommen und ihn «genotdrengt» (genötigt) habe, in
Gefangenschaft zu bleiben oder 80 rheinische Gul-
den als Lösegeld zu leisten. Die Stelle des Überfalles
war sicherlich der dichte Schaaner Wald, den die
Strasse zwischen Feldkirch und Vaduz durchzog, ein
trefflich geeigneter Ort für gut gedeckten Hinterhalt,
zudem nicht weit entfernt von Triesen, dem Sitz des
Ritters, wie wir noch hören werden. Die Memmin-
ger bitten nun die befreundeten Churer Stadtväter,
den Fall zu untersuchen («mit allem flyss und ernst
sölch ursachen, so darinn erfunden werdent anzu-
sehen») und alles zu tun, damit der Überfallene
seines Pferdes und Geldes wieder habhaft und der
Gefangenschaft ledig werde. Den Schluss des Schrei-
bens bildet dann die Versicherung stets williger
Gegendienste in den üblichen umständlichen Wen-
dungen.
Leider ist eine Antwort des Bürgermeisters von Chur
im Memminger Stadtarchiv nicht vorhanden, so dass
wir über das Ergebnis der Demarche nicht unter-
richtet sind. Es bleibt uns daher verborgen, welches
die Hintergründe dieses Überfalles waren, ob es sich
um reine Wegelagerei oder um Vollstreckung eines
zedierten Anspruchs oder auch um eine Teilaktion in
irgendeiner Auseinandersetzung handelt. Unsere
Beachtung aber darf doch beanspruchen, dass die
Beute des Überfalles nur in dem Pferd, «etlich gelt» —
offenbar keiner beträchtlichen Summe — und eben in
dem zu erwartenden, gleichfalls nicht besonders
hoch bemessenen Lösegeld bestand. Von Waren ist
also nicht die Rede, und wenn nicht etwa der Richen-
steiner in seinen kriegerischen Machtmitteln so weit
heruntergekommen war, dass er sich mit der Nieder-
werfung eines Einzelgängers begnügen musste und
den Überfall auf einen Kaufmannstross nicht ris-
kieren konnte, wäre daraus vielleicht zu schliessen,
dass es sich wirklich nicht um reinen Raub, sondern
um einen persönlichen Handel drehte. Die Mem-
minger selbst schienen sich jedenfalls über den
Grund des Überfalles nicht klar gewesen zu sein. Sie
nahmen aber von den Churern an, dass es ihnen wohl
«wissenlich» sein werde, «wie gebürlich oder unge-
bürlich die tat an ihr selbst sye» und baten sie, die
Ursachen anzusehen, «so darinn erfunden werdent».
Wenn sie bitten, man möge «an enden da das er-
schiess» (an Orten, da dies nütze) ihre Sache «zu
fürdren», so klingt dies ganz, als ob man an Hinter-
männer dachte.
Es wird erwogen, die Richensteiner stammten von
Schams (Graubünden)! Was wir jedoch aus den
Urkunden über die Richensteiner wissen, spricht
nicht für ihre Herkunft vom Schamserberg.
Deutlicher fassbar wird uns die Familie erst Mitte des
13. Jahrhunderts und zwar mit Cuno von Richen-
stein, der 1253 bei der Teilung der Schirmvogtei
Pfäfers und in der Folge noch wiederholt als Zeuge in
Rechtsgeschäften vorkommt, ja 1282 sogar als
Reichsvogt erscheint. Er dürfte ein Bruder, zum
mindesten aber ein naher Verwandter des 1281-1287
urkundlich belegten Disentiser Abtes Rudolf von
Richenstein gewesen sein.
Die Richenstein sind Ministerialen des Hochstiftes
Chur und führen das Prädikat «Ritter» (miles). Dass
der uns hier beschäftigende Wilhelm diesem Haus
entstammt, zeigt sein Vorname, der in der Familie
vom Ende des 13. bis in die erste Hälfte des 15. Jahr-
hunderts ständig vertreten ist.
Was ihren Wohnsitz anbelangt, so gewinnt man
zunächst nur im allgemeinen aus den Gegenständen
der Rechtsgeschäfte, an denen sie beteiligt sind, und
der Herkunft ihrer Vertragsgefährten den Eindruck,
dass ihre Interessen vorwiegend im Raume des Sar-
zanser Rheintales liegen. Bestimmten Aufschluss
erhalten wir dann aber Ende des 14. Jahrhunderts:
1384 hören wir von «Richenstains guet gelegen ze
Trysen im dorf», und 1480/88 wird ein «Wilhelm
von Richenstain sesshaft ze Trysen» genannt. Man
hat sich schon bemüht, eine Burg der Richenstein bei
Triesen zu finden und dafür eine Stelle oberhalb der
Strasse nach Lawena in Vorschlag gebracht, jedoch ist
bis jetzt Zuverlässiges nicht herausgekommen. Die
erwähnte Urkunde weiss nur von einem Sitz im
Dorf. Die Richenstein nahmen in Triesen offenbar
eine prominente Stellung ein, denn es gehörte ihnen
— seit unbekannter Zeit vor 1380 — der ganze Zehnt
von Triesen und Triesenberg und man kann sich fra-
gen, ob sie — die mit den Herren von Vaz in freund-
schaftlicher Beziehung standen — es waren, von
denen die Walser dort angesiedelt wurden. Nach all
dem steht es ausser Zweifel, dass jener Wilhelm von
Richenstein, der den Raubüberfall beging, in Triesen
seinen Wohnsitz hatte. Er war offenbar der Sohn
oder Enkel eines Hans Wilhelm von Richenstein,
dem 1413 von Bischof Hartmann der Triesner Zehn-
ten bestätigt wurde.
Nach ihm hören wir nichts mehr von dieser Familie
und es kennzeichnet den Verfall der Ritterschaft, dass
ein Geschlecht, das einen Reichsvogt und einen Abt
hervorgebracht, mit einem Raubüberfall sein letztes
Wort auf der Bühne der Geschichte sagt.
Memmingen, 1466 Juli 11,
Den ersamen und wysen Burgermaister und Rat der
Statt zuo Chur unsern besundern guoten lieben frün-
den.
Unser früntlich willig dienst zuvor ersamen und
wysen besundern guoten lieben fründ. Uns ist für-
kommen wie das Wilhelm Rychenstain nüwlich
unsern Burger Hansen Wernher uff der strass zwi-
schen feldkirch und fadutz nidergeworffen, im ain
pfärd und etlich Gelt genomen und in genotdrengt
habe sich in ain benennten zyt in Vangknüss zestellen
oder achtzig rinisch guldin zegeben. Wan wir uns
RS