Anhang
Nr. 5 Prozess zwischen Triesenberg und Schaan und
Vaduz wegen Schindelholzwald unterm Garselli
1515/16
Dieser Prozess berührt die Triesner nicht direkt.
Er gibt aber ein Spiegelbild der Verhältnisse um
das Holz und den Holzdiebstahl im Saminatal im
grossen wieder.
Sicherlich hat das Interesse der Vorarlberger auch am
Holz im oberen Saminatal wie an jenem ım unteren
bestanden. Der Prozess ist schon aus dieser Sicht in-
teressant und gibt ein gutes Bild über das Gerichts-
verfahren, wie es vor mehr als 400 Jahren bestand.
Denn auch hier richtete nicht unser Landammann:
Gericht, sondern das Landgericht (ehemaliges Gau-
grafengericht) zu Rankweil, weil der erwischte
Holzfrevler ein Frastanzer war, Kläger die Triesen-
berger. Der Prozess führte im Ergebnis aber zum
Entscheid, wem der gefrevelte Wald gehöre, wobei
die Berger gegenüber den Schaanern und Vaduzern
obsiegten und den Wald als Eigen zugesprochen
erhielten. Die folgende Darstellung dieses Prozesses
ist gekürzt ebenfalls der Veröffentlichung im JBL
1902 entnommen:
«In den Jahren 1515 und 1516 führten die Walliser am
Triesenberg mit der Genossame von Schaan und
Vaduz einen langen Prozess wegen des Schindelholz-
waldes. Beklagter war ein Lienhart Gerolt von Fra-
stanz. Dieser hatte im Walde unter dem Berger Gar-
selli Holz gefrevelt. Als die Triesenberger darauf
kamen und den Frevler strafen wollten, erklärte die-
ser, er bezahle den Wallisern kein Strafgeld, da er für
seinen Frevel schon habe den Bannschilling bezahlen
müssen und zwar den Schaanern und Vaduzern, wel-
chen jener Wald gehöre. Nun kam die Sache vor das
Gericht zu Rankweil. Es sollte entscheiden, ob die
Triesenberger ein Recht hatten, von Gerolt Strafgeld
zu fordern. Es handelte sich also vor allem darum, zu
ermitteln, wem jener Wald gehöre. Darum traten
nun die Schaaner und Vaduzer für den Beklagten ein
als seine Sachverwalter oder Tröster, wie man damals
sagte; sie waren aber eigentlich die Beklagten; sie
waren angeschuldigt, vom Eigentum der Berger
widerrechtlicherweise Pfandgeld genommen zu
haben.
Also erschienen diese beiden Genossenschaften resp.
ihre Vertreter zu Rankweil. Das Gericht wurde zu
Müsinen gehalten, unterhalb Rankweil, an der Land-
strasse, auf öffentlichem, erhöhtem, von Bäumen
beschattetem Platze. Landrichter war damals Hans
Ulrich von Hörningen, aus einem zu Feldkirch sess-
haften Adelsgeschlechte. Das Gericht wurde unter
freiem Himmel, nicht in qualmender Gerichtsstube
gehalten. Das Gerichtsverfahren war öffentlich vor
allem Volke. Die Parteien mussten selbst erscheinen,
so dass die Richter sie selbst sehen, hören und fragen
und somit leichter und sicherer die Wahrheit finden
konnten, als mittelst der Advokaten. Indessen durf-
ten die streitenden Parteien, Kläger und Beklagte
einen «Fürsprecher» mitbringen und jeder, «an sei-
nem Rechte unbescholtene» Mann konnte Fürspre-
cher sein, aber immer nur in Gegenwart seines Clien-
ten sprechen. Das ganze Verfahren war ferner münd-
lich; schriftliche Eingaben wurden keine angenom-
men, Direkt aus den mündlichen Ausserungen der
Parteien schöpfte der Richter seine Überzeugung;
auch die beigebrachten Urkunden wurden laut vor-
gelesen. Der Landrichter selbst hatte bei der Fällung
des Urteils keine Stimme; er hatte nur die Schöffen
oder Beisitzer des Gerichtes um ihre Meinung zu fra-
gen. Richter und Schöffen sassen auf Stühlen mit
Mänteln angethan. Auch diese Umfrage und ihre
Beantwortung geschahen öffentlich, öffentlich gab
jeder der Richter seine Meinung kund, öffentlich
wurde das Urteil verkündigt und nur auf besonderes
Verlangen der Parteien schriftlich ausgefertigt. Als
Beweismittel galten: Zeugen (Kuntschaften ge-
nannt), Urkunden (Briefe), der Eid und der Augen-
schein (Span oder Stöss).
Nachdem das Gericht verbannt und eröffnet war,
:rugen die Triesenberger ihre Anklage vor: Lienhart
Gerolt habe in ihrer Alp, die seit unvordenklicher
Zeit ihr Eigentum gewesen, ohne ihre Bewilligung
Holz gehauen. Obwohl sie immer in ruhigem Besitze
der Alp gewesen, seien die von Schaan und Vaduz
zugefahren und haben von dem Gerolt Strafgeld ver-
'angt und erhalten. Sie beschweren sich darüber sehr,
denn die von Schaan und Vaduz haben in dem Walde
weder Recht noch Gerechtigkeit je gehabt und
werden «obgottwill» nie eine bekommen. Die Kläger
vitten daher das Landgericht, die Beklagten von
solchem Unrecht abzuweisen und zu entscheiden,
dass dieselben den von Gerolt angenommenen Bann-
schilling ihnen herauszugeben haben.
Darauf liessen die Beklagten (die von Schaan und
Vaduz) durch ihren Fürsprecher antworten: sie seien
von der Gemeinde Schaan-Vaduz auf heute allher
gesandt, ein Urteil zu empfangen, worüber das
Gericht Beratung zu pflegen begehrte; sie glauben
aber soweit gefreit zu sein, dass sie auf heute nicht
schuldig seien, eine Antwort zu geben vor diesem
Gericht. Wer von ihnen etwas fordere, möge sie vor
den Gerichten suchen, worin sie ansässig seien; sie
haben auch von ihren Mitalpgenossen keine Voll-
macht erhalten, vor Gericht zu antworten. Sie ver-
langen also Aufschub bis zum nächsten Landgericht
(im Herbst).
Die Triesenberger liessen sagen: Weil der Handel
durch die Ausflüchte der Schaaner und Vaduzer sich
schon so lange hinausgezogen habe und sie sich dar-
auf verlassen hatten, dass vom Landgericht jetzt
ordnungsgemäss die Untersuchung vorgenommen
werde, stehen sie da und verlangten einen definitiven
Spruch. Nachdem die Beklagten ihren Einspruch