Anhang
unser andächtiger Fürst, und sein Bruder der edle
Graf Heinrich von Montfort, genannt von Vaduz,
unser und des Reiches lieber Getreuer, uns inständig
zebeten haben, wir möchten gnädiglich geruhen,
ihnen ihre Grafschaft zu Vaduz und alle ihre übrigen
Herrschaften, Länder und Leute zu verleihen, und
zwar mit Städten, Festungen, Märkten, Gerichten,
Zöllen, Mühlen, Ackern, Wiesen, Wäldern, Gebü-
schen, Gewässern, Teichen, Jagdgründen, Vogelwei-
den und allen andern sonstigen Zubehören, nichts
ausgenommen, wie man es auch im Besonderen
benennen möge. All das ist von ihren Vorfahren red-
lich an sie gekommen, befindet sich auch in ihrem
rechtskräftigten, gesicherten und ungestörten Besitz
und rührt von des Reiches Lehen her. In Anbetracht
dessen und im Hinblick auf die genehmen Dienste
und auf die Treue, die der ehegenannte Fürst und sein
Bruder Heinrich zu unserem und des Reiches Nut-
zen stets willig geleistet und gehalten haben, täglich
leisten und halten und auch fürderhin in künftigen
Zeiten leisten und halten mögen, haben wir Ihnen
mit Vorbedacht und bei vollem Wissen die ehege-
nannte Grafschaft und alle ihre sonstigen Herrschaf-
ten samt allen ihren Zubehörden ohne jede Ausnah-
me aufs Neue verliehen und wieder überreicht. Wir
verleihen und überreichen sie ihnen kraft dieses Brie-
fes und kraft der römischen Königsmacht in der
Weise, dass sie und ihre Lehenserben diese ihre Graf-
schaft und ihre Herrschaften samt Zubehörden von
uns und dem Reiche zu rechtem Lehen haben, hal-
cen, besitzen, geniessen und gebrauchen sollen in
gleichem Ausmasse und in gleicher Weise, wie sie
ihre Vorfahren bis auf uns innegehabt und besessen
haben, und zwar ohne jede Verminderung von
irgend einer Seite her, aber auch ohne Schaden für
ans, für das Reich, sowie an unseren Diensten und
Rechten oder an den Rechten irgend eines Anderen.
Auch bestätigen und bekräftigen wir ihnen alle Privi-
‚egien, Rechtsverbriefungen, Urkunden, Rechte,
Gnaden und Freiheiten, die sie für die ehegenannte
Grafschaft und für ihre Herrschaften von unseren
Vorfahren, den Kaisern und Königen des römischen
Reiches, oder auch von selben erworben haben. Wir
oeabsichtigen, wollen uns bestimmen, dass all dies in
ıllen Punkten, Klauseln und Artikeln stets unverletzt
ınd unverändert bleiben soll, wie es oben von Wort
zu Wort geschrieben steht mit Urkunde dieses mit
ınserem königlichen Majestätssiegel versiegelten
Briefes. Gegeben zu Prag im Jahre 1396 nach Christi
Geburt, am Tage der heiligen Maria Magdalena, im
34. Jahre unseres böhmischen und im 21. Jahre unse-
'es römischen Königtums. (Entnommen dem LUB I/2
246 ff)
Diese Urkunde stellt die königliche Bestätigung des-
sen dar, was am 3. Mai 1342 von der Grafschaft Sar-
zans durch die Grafen selbst als eigene Grafschaft
Vaduz ausgeschieden wurde (Teilung zu Sargans).
Den Bestand dieses Reichslehens liessen sich die
nachfolgenden Inhaber der Grafschaft Vaduz jeweils
von den Kaisern bestätigen (1402, 1439, 1492, 1507)
und inbesondere dann durch Kaiser Karl VI., der mit
Palatinatsdiplom vom 23.Jänner 1719 die beiden
Landschaften Vaduz und Schellenberg zum reichs-
unmittelbaren Fürstentum Liechtenstein vereinigte
and als solches erklärte. Bis zum 12. Juli 1806 verblieb
das Fürstentum ein Bestandteil des Deutschen Rei-
ches, von da an besteht es als ein souveränes Staats-
wesen. (81, 88, 90, 105, 143, 494)
3.
Die Polizeiordnung
1577
Einen Einblick in die sittlichen Zustände im deut-
schen Volke jener Zeit gewährt die Polizeiord-
nung, die auf dem Reichstage zu Frankfurt ent-
worfen und allen Ständen des Reiches zur Befol-
gung aufgetragen wurde (1577). Sie sagt im
Wesentlichen: (KB-385 ff)
Das Gotteswort und Predigt hören
Da das göttliche Wort, welches Jesus, unser Erlöser
ınd Seligmacher, seinen Jüngern und Aposteln in der
ganzen Welt zu verkünden befohlen hat, immer und
2wig eine lebendigmachende Speise der Seele und ein
anverfälschter Wegweiser in das himmlische Vater-
land ist, so sollen alle, jung und alt, Sonn- und Feier-
tag Mess und Predigt fleissig hören, und alle Haus-
väter und Mütter ihre Kinder, Knechte, Mägde und
andere Hausgenossen ernstlich dazu anhalten. Über-
:reter oder freventliche Verächter dieses Gebots sol-
ıen nach Gestalt der Sachen «andern zu einem Exem-
pel» bestraft werden. Während des vor- und nach-
mittägigen Gottesdienstes ist alles Tanzen, alle Kurz-
weil und alles Spiel streng verboten. Krämer, Bäcker,
Brotträger sollen nicht feil haben und alle Schenk-
häuser geschlossen sein.
Von den Feierabenden
Da man nach der Lehre der Apostel schuldig ist, für-
einander zu beten, so sollen am Samstag Abend,
sobald das Zeichen mit der Glocke gegeben ist, alle,
jung und alt, reich und arm, in oder ausser dem Hau-
se, auf die Knie fallen, zu Gott dem Allmächtigen
veten aus Herzensgrund für ihre abgestorbenen
Eltern, Geschwister, Verwandte und alle Guttäter.
Ebenso soll jeder morgens und abends täglich zu
Gottes Ehre, Lob und Dank ein inbrünstiges Gebet
verrichten, damit er ihm die zeitlichen Leibesnah-
rung und dereinst die ewige Freude und Seligkeit
zuteil werden lasse. Sobald am Samstag Abend oder