Volltext: LGU Mitteilungen (1988) (8)

LGU-Mitteilungen November 1988 Neue Eisenbahn- Alpentransversalen? (wm) Die Jahresfachtagung 1988 der Internationalen Alpenschutzkommission (CIPRA) wurde in diesem Jahr in Trie- senberg/Fürstentum Liechtenstein vom 29. September bis 1. Oktober durchge- führt. Für die Organisation war die Liechtensteinische Gesellschaft für Um- weltschutz (LGU) als Vertreterin der CIPRA in Liechtenstein zuständig. Mehr als 100 Teilnehmerinnnen und Teil- nehmer folgten der Einladung zur Jahres- fachtagung, die sich mit dem Thema «Neue Alpentransversalen 
— Erlösung oder neue Belastung für den Alpen- raum?» befasste. Ziel der Tagung war die Beurteilung von geplanten neuen Alpen- transversalen aus der Sicht des Natur- und Umweltschutzes. Grundsatzreferate Günther Topmann, Mitglied des Europäi- schen Parlaments, ging in seinem Grund- satzreferat auf die verkehrsmässigen Aus- wirkungen der Liberalisierung des euro- päischen Binnenmarktes ab 1. 1. 1993 ein. Er prognostizierte eine Verdoppe- lung des Gütertransits über die Alpen bis zum Jahr 2000. Das Europäische Parla- ment beschloss 1986, den Gütertransit bevorzugt auf die Schiene zu verlagern. Nach Meinung von Topmann, Bericht- erstatter 
des EG-Verkehrsauschusses über die Beziehungen der EG zu be- stimmten Drittländern in Fragen des Gü- terverkehrs, lässt sich dieses Postulat nur durch den Bau einer Brennerbasislinie und einer neuen Alpentransversalen in der Schweiz verwirklichen: Paul Romann aus Zürich konzentrierte sich in seinem Grundsatzreferat auf die Situation in der Schweiz, wo im Septem- ber 1988 eine Vernehmlassung zur Li- nienführung einer Neuen Alpentransver- salen eingeleitet wurde. Romann plädier- te für den Bau von zwei Basistunnels (Gotthard und Lötschberg) anstelle eines einzigen Tunnels. Die Zweiteilung des Verkehrsstromes mache den aufwendigen Ausbau der Zufahrtsstrecken grössten- teils hinfällig und sei daher ökologisch weniger negativ zu beurteilen. Prof.Dr. Hermann Knoflacher aus Wien schilderte in seinem Grundsatzreferat die Umweltauswirkungen des Transitver- kehrs auf den Alpenraum. Er benannte den motorisierten Strassenverkehr als Hauptschädiger. Dem Strassenverkehr lastete er einen hohen Bodenverbrauch, eine Trennwirkung auf die Täler, Lärm- auswirkungen, Verschmutzung der Luft, Umweltbelastungen aus dem Winter- dienst und Zerstörung der Kulturland- 
schaften an. Er resümierte., dass die Um- weltbelastungen aus dem alpenqueren- den Verkehr die Belastungsgrenzen längst überschritten haben. Exkursion In einer Einführung und der folgenden Exkursion in das Projektgebiet einer Splügen-Basislinie demonstrierten Pierre Walz, St, Gallisch-Appenzellischer Na- turschutzbund, und Christian Geiger, Bündner Naturschutzbund, als ausge- zeichnete Kenner der Region mögliche Auswirkungen einer Hochgeschwindig- keitstrasse auf Natur und Landschaft. Das bereits stark verkehrsbelastete Rheintal und Domleschg würden eine weitere landschaftsästhetische Entwer- tung erfahren. Langjährige Naturschutz- bemühungen würden einer neuen Bela- stung ausgesetzt. Länderberichte Am 1. Oktober folgten die Berichte aus den einzelnen Alpenländern. Dr. Leo Unterholzner stellte aus der Sicht Südti- rols das weitere Verkehrswachstum grundsätzlich in Frage. Er forderte daher einschneidende Verkehrsbeschränkungen und den Ausbau der bestehenden Schie- nenführungen vor dem Neubau von Strecken. Helmut Steininger seinerseits warnte in seinem Länderbericht Deutschlands vor neuen Verkehrsströmen, die aufgrund des Ausbaus des Strassennetzes im süd- deutschen Raum auf die Alpen zukom- men. Seiner Einschätzung nach lässt sich der Verkehr nur durch den Bau neuer Schienen-Alpentransversalen ohne allzu- grossen Schaden für den Alpenraum be- wältigen. Dr. Josef Rohrer als Berichterstatter der Schweiz forderte dazu auf, die Umwelt- belastungen jeder Linienführung einer neuen Eisenbahn-Alpentransversale ge- nau zu prüfen. Im Länderbericht Österreich kritisierte Prof.Dr. Hermann Knoflacher heftig den 
weiteren Ausbau des Strassennetzes in Österreich. Vor weiteren baulichen Mass- nahmen forderte Knoflacher eine Mach- barkeitsstudie, wie man mit weniger Transitverkehr auskommt. Brigitte Krättli stellte die Notwendigkeit einer Splügenlinie aus der Sicht Liechten- steins in Abrede. Umfragen hätten erge- ben, dass Verbesserungen im regionalen Eisenbahnnetz und im regionalen Güter- austausch (Bodenseeraum) Vorrang vor dem Ausbau der Transitwege hätten. Diskussion In den lebhaften und kontroversen Dis- kussionen wurde bekräftigt, dass der Ver- kehr in den Alpen die Belastungsgrenzen erreicht oder sogar überschritten hat. Es herrschte Einigkeit darüber, dass der Verkehr vermehrt von der Strasse auf die Schiene verlagert werden muss. Umstrit- ten blieb hingegen die Notwendigkeit neuer 
Eisenbahn-Alpentransversalen. Von verschiedenen Seiten wurde die Ge- währ verlangt, dass der Ausbau des Schienennetzes zu einer Reduktion des Strassenverkehrs führen müsse. 'Die Bedenken, die gegen eine neue Ei- senbahn-Alpentransversalen vorgetragen wurden, kamen in der Deklaration zum Tagungsthema zum Ausdruck. In der De- klaration wird ein gesamtalpines Ver- kehrskonzept gefordert, bevor bauliche Massnahmen beschlossen werden. Ein solches Konzept soll von unabhängigen Gutachtern erstellt werden. In der Dekla- ration wird ausserdem eine Reihe weite- rer Forderungen aufgestellt, um auch kurzfristig den Verkehrs verstärkt von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Auf der folgenden Seite dokumentieren wir einen Teil der Presseberichte. Ein Buch zur Tagung (25.— Franken, Auslie- ferung ca. Anfang Januar) sowie die Ta- gungsdeklaration (gratis, Sofortausliefe- rung) können bei der LGU bestellt werden.
	        

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