Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz
LGU
Mitteilungen Nr. 75 - Dezember 2015 Seite 3
Magerwiesen - Paten gesucht!
Magerwiesen sind besonders artenreiche
und wertvolle Wiesen auf mageren Bó-
den. Hier finden wir auf kleinem Raum
rasch 50 verschiedene Pflanzenarten.
Dazwischen flattert, brummt und zirpt es
in allen Farben und Tonlagen. Wer sie
kennt, den begeistern sie immer wieder.
Magerwiesen finden wir heute nur noch
an wenigen Stellen im Land. Erfreulich
ist, dass man sie an geeigneten Standor-
ten auch neu schaffen kann. Das braucht
allerdings Zeit und Geduld — also nicht
unbedingt Tugenden unserer Zeit. Gute
Standorte für Magerwiesen entstehen
immer wieder bei Bautätigkeiten der ôf-
fentlichen Hand. So etwa bei der Sanie-
rung von Dámmen, an Strassenbóschun-
gen, Zufahrten oder bei Überbauungen.
Wegen der knappen Ressourcen wird
hier zumeist auf eine Magerwiesenan-
saat verzichtet. Stattdessen wird eine ar-
tenarme, schnellwüchsige «Allerweltsmi-
schung» ausgebracht, die den Vorteil
hat, dass sie aufkommende Neophyten
in gewissem Masse zu unterdrücken ver-
mag. Aus Sicht des Artenschutzes geht
hier ein immenses Potential für unsere
Biodiversitát ungenutzt verloren.
Die LGU setzt sich dafür ein, dass ge-
eignete Standorte künftig mit einer
Magerwiesen-Mischung angesät
werden und die Pflege dieser Mager-
wiesen gesichert ist. Dabei sind wir
auf Ihre Unterstützung angewiesen:
Haben Sie Zeit und Interesse mit Ihrer
Schule, Ihrem Arbeitsteam, mit Freun-
den, der Familie, dem Partner, als Einzel-
person oder Verein eine frisch angesäte
Magerwiese über die ersten 2 bis 3 Jahre
zu begleiten und aufkommende Neo-
phyten zu entfernen? Selbstverständlich
stehen wir Ihnen dabei zur Seite! Wenn
Sie interessiert sind oder mehr Informa-
tionen benötigen, melden Sie sich bitte
per Email info@lgu.li in der Geschäfts-
stelle der LGU.
Magerwiesen sind Farbtupfer in der
Landschaft und beherbergen viele
seltene Tier- und Pflanzenarten
Regelmässig informiert die LGU
in ihren LIEWO-Publikationen
über umweltpolitisch oder jahres-
zeitlich aktuelle Themen. Diese
kónnen Sie auf unserer Homepage
www.lgu.li nachlesen.
€ Rainer Iülhnis
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Altgrasstreifen im Ruggeller Ried © Cornelia Mayer
Das geheime
Leben im
Altgrasstreifen
Mit der kalten Jahreszeit kehrt Ruhe
ein in der Natur. Die Felder sind ab-
geerntet und die Wiesen gemáht.
Der Talboden wirkt ungewohnt weit
und leer und unser Auge orientiert
sich an den verbliebenen Hecken und
Báumen. Gelegentlich bleibt unser
Blick an trockenen, hohen Grasstrei-
fen hàngen. Hat der Bewirtschafter
hier vergessen zu mähen oder haben
diese Altgrasstreifen einen besonde-
ren Zweck?
Rückzugs- und Winterquartier
Tatsächlich schlummert in den dürren Streifen ein verblüffen -
der Artenreichtum. Zahlreiche Kleintiere — allen voran Insek-
tenund Spinnen — finden hier ein geeignetes Winterquartier.
Viele dieser Tiere überwintern als Eier, Puppen, Raupen oder
in Kokons und sind dabei auf Strukturen wie Blütenstángel
und Grashalme angewiesen. Manche Arten überdauern die
kalte Jahreszeit auch als ausgewachsene Tiere und verfallen
im Schutz der hohen Gráser in Winterstarre. Wer im Winter
aktiv bleibt wie Feldhase, Reh, Hirsch oder Fuchs, dem bieten
Altgrasstreifen Schutz und Deckung bei der Nahrungssuche.
Vogel finden in den dürren Streifen bis lang in den Winter
hinein ein breites Angebot an Sámereien.
Das Dilemma mit der Mahd
Wiesentiere - vom Feldhasen bis zur Wildbiene — stehen in
unserer modernen Kulturlandschaft unter Druck. Sie über-
leben nur dank extensiv genutzten Lebensráumen wie un-
gedüngten Wiesen, Bóschungen, Buntbrachen oder Kraut-
sáumen. Diese Fláchen müssen regelmássig gemáht wer-
den, da sie ansonsten verbrachen und verbuschen. Ein
Rückgang der Artenvielfalt wäre die Folge. Die Nutzung ist
also langfristig nötig, führt kurzfristig aber zu einer radika-
len Veränderung des Lebensraumes für die Tierwelt. Von ei-
nem Moment auf den anderen fehlen Nahrung, Schutz vor
Feinden und Wetter sowie Nischen zur Fortpflanzung oder
als Schlafplatz. Zudem wird ein grosser Teil derWiesentiere
durch die Mähmaschinen verletzt, getötet oder zusammen
mit dem Mähgut abgeführt.
Die Technik ist schneller als die Evolution
Wiesentiere haben sich über lange Zeit an die Mahd an-
gepasst. Die raschen technischen Entwicklungen bei den
Mähmaschinen haben die Anpassungsfähigkeit der Tiere
aber überholt. Im Vergleich zu früher werden heute viel
grössere Flächen in kürzerer Zeit und auf einen Schlag ge-
mäht. Zudem werden vermehrt sogenannte Mähaufberei-
ter eingesetzt mit denen das Schnittgut zusätzlich ge-
quetscht und geknickt wird. So wird das Trocknen des Heus
beschleunigt und die Mähernte verkürzt. Nur mobile Tiere
mit gutem Reaktionsvermögen haben bei dem grossen Ar-
beitstempo noch eine Chance, Während Heuschrecken bei
Störung sogleich einen Fluchtversuch starten, haben Ho-
nigbienen ein äusserst träges Reaktionsverhalten. Beson-
ders hoch sind die Verluste bei Arten, die sich zum Zeitpunkt
der Mahd in einem unbeweglichen Entwicklungsstadium
befinden
Ersatzlebensraum und Ausbreitungspool
InAltgrasstreifen sind die Wiesentiere sicher vor der herbst-
lichen Mahd und vor Fressfeinden, haben ein anhaltendes
Nahrungsangebot und ausreichend Zeit, um ihre Entwick-
lung abzuschliessen. Von hier aus kónnen sie sich im Früh-
ling wieder in die Wiesen ausbreiten. Altgrasstreifen kom-
men auch vielen gefährdeten Pflanzenarten wie dem spät
blühenden Lungen-Enzian zugute.
Neumodisch oder zeitgemäss?
Seit mehreren Jahrzehnten sind Altgrasstreifen als kos-
tengünstige, einfache und effektive Methode zur Förde-
rung der Artenvielfalt in Wiesen bekannt. Lange Zeit wur-
den sie nur auf freiwilliger Basis oder auf besonders wert-
vollen Naturschutzflächen umgesetzt. In manchen
Schweizer Kantonen werden sie heute im Rahmen von
Ökowiesenverträgen verlangt. Bei uns sieht man sie bis-
her nur punktuell, so etwa im Ruggeller Ried oder auf der
Schweizer Seite des Rheindamms. Die rückláufigen Zah-
len bei den Wiesentieren zeigen jedoch deutlich, dass
auch bei uns der Handlungsbedarf gross ist. Die LGU ist
der Meinung, dass die Umsetzung von Altgrasstreifen für
alle Ökowiesen und Naturschutzflächen geprüft und in
absehbarer Zeit umgesetzt werden sollte. Dies gilt nicht
nur bei der Herbst- sondern auch bei der Sommermahd
Gerade im Frühsommer halten sich neben den Insekten
und Spinnen auch Reptilien, Amphibien, bodenbrütende
Vögel, Rehkitze, junge Hasen und andere Kleinsäuger in
den Wiesen auf. Sie alle sind auf geschützte Rückzugsorte
angewiesen. (cm)
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