Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz
LGU)
Mitteilungen Nr. 74 - Dezember 2014 Seite 2
Thema: Alpenrhein
Jahrhundert-Projekt
Revitalisierung Alpenrhein
In diesem Jahr wurden in der Politik und den Medien der Zustand des Alpenrheins und die im
Entwicklungskonzept Alpenrhein vorgesehenen ökologischen Verbesserungen mehrfach diskutiert.
Teils kontroverse Ansprüche und Ängste von Politik, Wirtschaft, Interessensverbänden und
Anwohnern werden dabei deutlich.
(oH Se aE
Die Mastrilser Auen sind die letzten
naturnahen Auen am Alpenrhein.
In den LGU-Mitteilungen Nr. 31, vor ge-
nau 20 Jahren, berichtete Wilfried Mar-
xer als damaliger Geschaftsfuhrer der
LGU Uber das «Aus fir die Rheinkraft-
werke»: «... Am Schluss hat bei den Ent-
scheidungstrágern in Bern und Vaduz die
Einsicht überwogen, dass die projektier-
ten und nunmehr abgelehnten Rhein-
kraftwerke eine zu grosse Gefahr für
unsere Umwelt, insbesondere für das
wertvolle Grundwasser, darstellen
Doch jetzt ist der Weg frei, um Revitali-
sierungen durchzuführen, das Flussbett
zu stabilisieren und den Rhein als Leben-
sader für Tiere und Pflanzen und als Nah-
erholungsgebiet für die Menschen aus
der Region aufzuwerten.»
Vor 10 Jahren schrieb Bianca Burtscher
vom Naturschutzbund Vorarlberg in den
LGU Mitteilungen Nr. 61, die «Vision
Lebendiger Alpenrhein wird konkret —
Das Entwicklungskonzept Alpenrhein
der Internationalen Regierungskommis-
sion Alpenrhein und der Internationalen
Rheinregulierung IRR hat die dritte ent-
scheidende Phase erreicht: ein Massnah-
menplan.»
Wo stehen wir heute, im Dezember
2014? Wieder diskutieren wir über Rhein-
kraftwerke, beklagen immer noch den
schlechten ökologischen Zustand des
Alpenrheins und machen uns Sorgen um
unser Grundwasser.
Wir fragen PD Dr. sc. nat. Mario F. Broggi,
Forstingenieur und Ökologe, der die Ent-
wicklungen am und um den Alpenrhein
über die letzten Jahrzehnte wachsam
und kritisch verfolgt hat.
Interview: Monika Gstöhl
Mario, vergleicht man die Aussagen in
den LGU Mitteilungen von vor 20 Jah-
ren mit den heutigen Diskussionen,
bekommt man den Eindruck, es habe
sich seither kaum etwas verändert.
Haben wir tatsächlich 20 Jahre lang auf
der Stelle getreten?
Mario Broggi Der Alpenrhein ist unsere
Aorta, die Hauptschlagader des Tales.
Ihm muss mehr Aufmerksamkeit ge-
schenkt werden, als Biotop, Psychotop,
als grösstem Wildbach Europas mit gros-
sen Sedimentfrachten. Der Rheinraum ist
in Natura seit mehr als 100 Jahren degra-
diert, das Sanierungsprojekt ist also nicht
abgeschlossen. Der Rheinraum war allzu
lange nur Zwischen- und Randraum von
drei Staaten. Man deponierte dort an die
Grenzen, was man im Nahbereich nicht
haben wollte. Die Idee der Wiederbele-
bung des Alpenrheines ist nun bereits
30 Jahre alt. An Papier mit Ideen für
seine Wiederbelebung fehlt es nicht. Es
gibt seit 10 Jahren auch ein gemeinsam
beschlossenes zwischenstaatliches Kon-
zept für seine Wiederbelebung. Es wer-
den weiter Studien an Studien gesam-
melt. In vielen Kópfen ist das meiste
davon marginalisiert, von der Tagespoli-
tik abgedrángt, in politischen Zusam-
menkünften periodisch halbherzig the-
matisiert und die Chance eines Jahr-
hundertwerkes bisher verpasst.
Aus manchen Diskussionen kónnte man
den Eindruck gewinnen, dass ókologi-
sche Verbesserungen am Alpenrhein nur
Kosten verursachen würden. Was für
einen Nuizen ziehen wir aus einer Wie-
derbelebung des Alpenrheins?
Mario Broggi Blenden wir zurück zum
Rheinkraftwerk-Projekt der 1990-er Jah-
re. Etwas Tiefersitzendes stráubte sich
damals gegen den technischen Machbar-
keitswahn auf dem liechtensteinischen
Abschnitt fünf Staustufen in Form von
Staubecken in den Alpenrhein hinein zu
bauen. Wasserkraft ist einheimisch, sau-
ber, erneuerbar. Beim heutigen Ausbau-
grad in den Alpen, man spricht in unse-
rer Grossregion von über 9096 des
technisch Machbaren, ist aus der Sicht
der Landschaft zu sagen, dass es auch
beim Wasserkraftausbau einen Grenz-
nutzen gibt, der nicht unbedenklich
überschritten werden darf. Wasserkraft
ist zwar erneuerbar, die Landschaft ist es
aber nicht. Die damalige Verteidigung
der Tiere und Pflanzen in und am Rhein
mógen gegen die Argumente der Kilo-
wattstunden und Gelderlóse etwas hilf-
los gewirkt haben. Der Erhalt des Grund-
© Monika (SEE
Naturnahe Gewässer bieten auch
kleinen Forschern Raum.