Volltext: LGU Mitteilungen (2004) (60)

7Wachstum Wachstumsszenario «forciert» Im Rahmen der Diskussion um das Raumplanungsgesetz hat die Regie- rung im Herbst 2001 das Papier «Grundzüge der räumlichen Entwick- lung» (Strittmatter und Partner, St.Gallen, 2000/2001) in die Vernehm- lassung geschickt. Interessierte Kreise und die Bevölkerung hatten die Möglichkeit, zu vier verschiedenen Entwicklungsszenarien Stellung zu nehmen: nachhaltig, verträglich, ungebremst, forciert. Die in der aktuel- len Verkehrsdiskussion von der Regierung als Ausgangsbasis verwende- ten Prognosen «starkes Wachstum» lautet: 60% mehr Bevölkerung sowie 60% mehr Arbeitsplätze bis 2040. Diese Annahmen entsprechen exakt dem damals diskutierten Szenario «forciertes Wachstum» bis 2020. Die Beschreibung des Szenarios «forciert» in den «Grundzügen» lautet wie folgt: «Das Wachstum wird sehr stark gefördert. Entsprechend ist von zusätz- lichen Problemen in den Sachbereichen auszugehen. Neue Vorschriften des Staates folgen einer einseitig wirtschaftlichen Betrachtungsweise». Weiter: «Schwache Wohnqualität, viel Lärmbelastung, kaum Begrü- nung, Erholungsgebiete weit weg.» Und: «Die Landschaft wird sehr stark beeinträchtigt, es entsteht eine Stadtlandschaft»; «Der Artenver- lust nimmt zu; im Siedlungsbereich bestehen nur noch sehr wenige Reste unberührter Natur.»; «Die Gewässer werden räumlich noch mehr reduziert, häufig verbaut und überdeckt.»; «Die Landwirtschaft ist nur noch in den Randlagen überlebensfähig.» 
Wachstum als Credo Einer der vehementen Verfechter eines starken, ungebremsten Wachstums ist Professor Franz Jäger, ehemals aufmüpfig und politisch im linken Lager. Heute, nach ideologischer Kehrt- wende, Ordinarius für Wirtschaftspolitik an der Universität St.Gallen. Jäger vertritt inzwischen die neoliberale Lehre, welche dem Staat und der Politik nur mehr eine Statistenrolle zuge- steht und die hohen Dividenden der Aktionär- Innen und InvestorInnen zum Motor der Wirt- schaft hochstilisiert. Wertschöpfung, materieller Wohlstand ist gleich Lebensqualität, Wohler- gehen – so sein Credo, das er an seinem Im- pulsreferat in Mauren eindrücklich präsentiert hat. Und dafür muss investiert werden. Wir wollen uns schliesslich etwas leisten können. Da wird doch wohl niemand – ausser ein paar wenige, die noch nicht gemerkt haben, dass man das Auto nicht mehr abschaffen kann – etwas dagegen halten. Wir halten trotzdem dagegen: Die wichtigsten Grundlagen des Wirtschaftens sind (neben dem Kapital) die Arbeitskräfte, die Bevölkerung, und die natürlichen Ressourcen. Dazu gehören auch öffentliche Güter wie Luft, Landschaft, vielfältige Lebensräume und Ruhe. Wenn sich die Wirtschaft dieser Werte unein- geschränkt bedient, ist deren Fortbestand und damit auch der eigene Fortbestand gefährdet. Die Marktwirtschaft ist kein Perpetuum Mobile des Geldes. Wir brauchen ein qualitatives Wachstum, das nicht nur auf technischem, son- dern auch auf kulturellem Fortschritt beruht.Nachhaltiges 
Wachstum heisst unter anderem, dass die externen Kosten, die bis anhin an den Staat und die Gesellschaft delegiert worden sind, in die betriebswirtschaftliche und in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung integriert werden. Nachhaltiges Wachstum heisst, dass die Wirtschaft für den Fortbestand der Ressour- cen, die sie abschöpft, Verantwortung über- nimmt. Dies sowohl im lokalen als auch im glo- balen Rahmen. Nachhaltiges Wachstum heisst kreative Innovation und Investitionen in eine Zukunft, in der auch die kommenden Genera- tionen die Freiheit haben, über ihren Weg selbst zu bestimmen. Nachhaltiges Wachstum bedingt, dass die Politik der Wirtschaft Leit- linien setzt und die Raumplanung ernst nimmt.
	        

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