LGU-Mitteilungen November 1990 Vaterland, 22. Oktober 1990 Erschütterndes Ergebnis Studie über den Zustand der Flüsse im gesamten Alpenbogen (Eing.) —Weniger als zehn Prozent der Gesamtstrecke der knapp 10'000 Kilo- meter an Alpen-Hauptflüssen befinden sich noch in einem natürlichen Zu- stand. Zu diesem ernüchternden Er- gebnis kommt eine Studie, die die In- ternationale Alpenschutzkommission CIPRA durch das Internationale Zen- trum für alpine Umwelt (ICALPE) in Chambéry/Frankreich in Zusammenar- beit mit der Universität Grenoble er- stellen liess. National bewegen sich die Ergebnisse zwischen zwei und sieben, lediglich in Frankreich können noch 18 Prozent der Alpenflüsse als ungestört gelten. Kein einziger Hauptfluss der Alpen ist heute noch auf seiner gesamten Fliess- strecke in einem natürlichen Zustand. Weniger als zehn Prozent haben noch ei- nen ungestörten Vorlauf auf mehr als 15 bis 20 Kilometern. Aus diesem Grund fordern die Teil- nehmer der CIPRA-Jahrestagung 1990 in Martuljek/Slowenien die Regierun- gen der Alpenstaaten und Alpenländer auf, einen 10jährigen Eingriffsstopp für alle noch ungestörten Wildflussstrecken als Denkpause auszusprechen. Ziel ist die Schaffung eines, den ge- samten Alpenbogen umfassenden, Bio- sphärenverbunds für Wildflussland- schaften. Die in der ICALPE-Studie aufgeführten Fliesstrecken stellen dazu das
Grundgerüst dar.
Für
die am
mei- sten beeinträchtigten verknüpfenden Strecken
sind
Möglichkeiten
von Revi- talisierungen
zu ermitteln und in
die Tat umzusetzen. Die Alpen bilden das
Wasserschloss Europas. Seine wenigen verbliebenen Wildflusslandschaften stellen ein mar- kantes Element unserer alpinen Natur-, Kultur- und Erholungslandschaft dar. Sie haben als Spender sauberen Trink- wassers und als Refugium unserer heimi- schen Fauna und Flora eine lebenswich- tige Bedeutung. Alle zuständigen Verwaltungen, Ex- perten und Forschungsinstitutionen werden aufgefordert, vergleichbare Kri- terien zur Erstellung eines alpenweiten Fliessgewässer-Inventars
zu
entwickeln. Die Inventare sind dann auf
nationaler und regionaler
Ebene
zu erarbeiten. Die Regierungen sind im Rahmen
der Ausarbeitung der
Alpenkonventionen aufgefordert,
den
Auftrag
zur Erstel- lung des Inventars zu erteilen,
dessen Fi- nanzierung sicherzustellen
und vor
Ab- lauf des Moratoriums die Schaffung
des alpenweiten Biosphärenverbunds
an Wildflusssystemen zu
beschliessen.
Da- nach sind alle notwendigen
Massnah- men zu seiner Verwirklichung zu
ergrei- fen. Dr. Mario F.
Broggi (CI PRA-Präsident)