Das Verhältnis zu Liechtenstein wurde in der Schweiz ganz unter-
schiedlich beurteilt, wie sich anhand zeitgenössischer Presseberichte
belegen lässt. Ein Beispiel für eine sehr kritische, ja ablehnende
Haltung gegenüber dem Fürstentum liefert ein unmittelbar nach dem
Besuch in Bern am 6. April 1938 in der Tageszeitung «Freie Inner-
schweiz», Luzern, abgedruckter Artikel. Darin wird nicht nur einem
militärfreien und angeblich steuerfreien Liechtenstein misstrauisch
begegnet, sondern auch wohl unter dem Eindruck des heftigen
Parteienstreits, das fehlende Staatsbewusstsein der liechtensteinischen
Bevölkerung beklagt. Es wird festgestellt, dass das Volk, besonders
die Jugend, mehrheitlich für den Anschluss an Deutschland sei und
die Regierung die nationalsozialistischen Auftriebe auf die Dauer
nicht zu meistern vermöge. Um nicht in Verwicklungen mit dem
Deutschen Reich zu geraten, wird schliesslich dazu aufgefordert, die
Verbindungen mit Liechtenstein zu lösen, unklare Grenzverhältnisse
zu beseitigen und an den Rhein zurückzukehren. «Abhängen, abhän-
zen!» lautet die Devise.
Die günstigen Auswirkungen hingegen, die die Übernahme der
Regentschaft durch Prinz Franz Josef und die innenpolitische Befrie-
dung im Fürstentum auf die Beziehungen zur Schweiz hatten, belegt
ein Kommentar im «L’impartial», La Chaux-de-Fonds, vom gleichen
Tag. Unter dem Titel «Oü la vague hitlerienne s’arröte — Le Liechten-
stein consolid&» werden das Zusammengehen der bis anhin die Bür-
ger entzweienden Parteien und die Bildung einer Regierung der
nationalen Einheit begrüsst und als beispielhaft für andere grössere
Nationen beschrieben. Der Übergang der Regentschaft vom 86jähri-
gen Fürsten Franz auf den 32jährigen Prinzregenten Franz Josef wird
als eine Verstärkung dieser staatlichen Einheit und ein engeres Zusam-
mengehen von regierendem Fürstenhaus und Volk gesehen. Die
Schweiz sei glücklich, feststellen zu können, mit welcher Klugheit die
liechtensteinischen Nachbarn ihr eigenes Schicksal in die Hand näh-
men. Die Zukunft eines Landes hänge vor allem ab von der Einigkeit
und der gegenseitigen Toleranz der Bürger.
Nicht nur die Erhaltung der staatlichen Selbständigkeit Liechten-
steins angesichts der Bedrohung von innen und aussen sondern auch
andere wichtige Fragen dürften wohl am 4. April 1938 anlässlich des