Volltext: 125 Jahre Harmoniemusik Vaduz 1863-1988

1858 hat Fürst Johann die Regierung angetreten. 
1859 hat er sein Land besucht. Mit Triumphbö- 
gen, Beleuchtung und unter Mitwirkung des hie- 
sıgen Sängerchors (!) ist er empfangen worden. 
Am 26. September 1862 hat Liechtenstein eine 
neue Verfassung erhalten. Sie garantiert die Mit- 
wirkungsrechte des Volkes am Staatsgeschehen 
und enthält einen Katalog von Grundrechten: 
Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheit der Person 
und der Religionsausübung, Pressefreiheit, Recht 
auf ordentlichen Richter, Hausrecht, Loskauf 
von Zehnten, Grundzinsen und Feudallasten, 
Petitionsrecht, Selbstverwaltung der Gemeinden, 
Vereinsrecht. 
Die Volksvertretung, der Landtag, besteht aus 
zwölf in indireker Wahl durch Wahlmänner 
zewählten und drei vom Fürsten ernannten 
Abgeordneten. Die Abgeordnetenwahl findet im 
Saal auf Schloss Vaduz statt. Am 29. Dezember 
1862 ist der Landtag eröffnet worden, am 28. 
April 1863 schliesst er seine erste Session. Präst- 
dent ist Dr. Karl Schädler, Landesphysikus aus 
Vaduz. Das Tagungslokal des Landtags befindet 
sich im Gasthaus des AbgeordnetenFranz Anton 
Kirchthaler, Apotheker und Textilfabrikant aus 
Vaduz (heute «Vaduzerhof»). Aus Vaduz kom- 
men auch die Abgeordneten Markus Kessler, 
Landrichter, und Gregor Fischer, Reallehrer, 
sowie Landesvikar Josef Wolfinger. Diese starke 
Vertretung aus Vaduz führt auch zu Spannungen 
im Landtag. So fällt in einer Debatte die Anrede 
«Ihr Herren in Vaduz», worauf sich der Abgeord- 
nete Kirchthaler das Wort «Vaduzer» als «nicht 
parlamentarisch» verbittet und meint: «Wir ver- 
treten nur das Land», 
7 Plenar-und 15 Kommissionssitzungen haben in 
der ersten Session stattgefunden. Die zweite Ses- 
sion beginnt am 30. Mai. Eine Reihe wichtiger 
Geschäfte werden behandelt: Erneuerung des 
Zollvertrags mit Österreich, Zehntablösungs-, 
Gemeinde- und Staatsbürgerschafts- sowie Was- 
serrechtgesetz. 
Die Regierung besteht aus Landesverweser von 
Hausen und je einem Landrat aus dem Oberland 
und Unterland. Der Oberländer Landrat ist 
Johann Georg Marzer, Bürgermeister von 
Vaduz. Sitz der Regierung ist seit 1856 die ehe- 
nalige hemschaftliche Taverne und Zollstätte 
«zum Adler» (heute Landesmuseum!). Die 
Rechtssprechung erfolgt nur in erster Instanz im 
Lande. Die zweite und dritte Gerichtsinstanz 
»efinden sich in Wien und Innsbruck. Landrich: 
‚er in Vaduz ist Markus Kessler, 
Das Gemeindewesen befindet sich im Umbruch. 
Ein neues Gemeindegesetz soll das bisherige von 
1842 ablösen. Heiss umstritten sınd Fragen des 
Gemeinde- und Staatsbürgerrechts sowie die 
Nutzungsrechte am Gemeindevermögen. Der 
Vaduzer Ortsrichter darf seit 1861 gemäss einem 
fürstlichen Erlass den Bürgermeistertitel führen. 
Dass neben dem Bürgermeister Johann Georg 
Marxer, dem Säckelmeister Joseph Anton 
Amann und zwei «Gemeinderäten» auch der 
«Ortsvorsteher» Joseph Risch und der «Kassier» 
David Boss die Gemeinderechnung von 1863 
anterzeichnen, hat wohl eine besondere 
3ewandtnis. Marzxer ist am 2. Februar 1857 zum 
Ortsrichter gewählt worden. Weil er «Nichtbür- 
ger» war, hat die Regierung seine Wahl als ungül- 
ig erklärt. Darauf wird er in einer zweiten 
Gemeindeversammlung zunächst ins Vaduzer 
Bürgerrecht aufgenommen und sodann mit gros- 
ser Mehrheit zum Ortsrichter gewählt. 1861 ıst 
Marzxer für eine zweite Amtsperiode fast einhellig 
bestätigt worden. Die Verwaltung und Regelung 
der Nutzung des Gemeindebodens ist offensicht- 
uch nicht dem «Neubürger» Marxer sondern 
einem eigens bestimmten «Ortsvorsteher» und 
«Kassier» übertragen. Diese Funktionen sind wie 
zuch die Bezeichnung «Gemeinderäte» in der gel- 
tenden Gemeindeordnung nicht vorgesehen. Sie 
sind offensichtlich der laufenden Diskussion um 
eine Gemeindegesetzreform entnommen und 
von der Vaduzer Gemeindeversammlung eigen- 
mächtig eingeführt worden!
	        

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